Entzug der Fahrerlaubnis bei Krankheit?

  • 10. Juli 2017
  • Thomas Klein

In der Praxis zunehmend ein Dauerbrenner. Darf die Behörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn eine Krankheit besteht? Ein Überblick....

Fahrerlaubnis und Krankheit

Die Fahrerlaubnis ist ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens.

Ist sie in Gefahr, drohen existenzielle Beeinträchtigungen. Vielfach herrscht die Meinung, nur bei Alkohol oder Drogen am Steuer sei die Fahrerlaubnis in Gefahr.

Dem ist indessen nicht so.

Denn:

 

Gemäß § 3 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, soweit sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.

Aus der Formulierung „hat zu entziehen“ geht hervor, dass der Behörde kein Ermessensspielraum zusteht.

Wer ist (nicht) geeignet?

§ 2 Abs. 4 StVG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Geeignetheit i. S. v. § 3 StVG. Erforderlich ist die Erfüllung der notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen. In § 46 Abs. 1 FeV ist geregelt, dass von der Ungeeignetheit insbesondere dann auszugehen ist, wenn bestimmt Erkrankungen oder Mängel, die in den Anlagen 4, 5 und 6 zur FeV näher dargestellt sind, vorliegen.

 

Erkrankungen und Mängel nach Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)

Anlage 4 benennt Erkrankungen und Mängel, bei deren Vorliegen der Gesetzgeber Zweifel daran hatte, dass eine Teilnahme am Straßenverkehr noch sicher  möglich ist.

Es ist dabei zwischen den unterschiedlichen Führerscheinklassen zu unterscheiden. Bei Personenkraftwagen bis 3500 kg wird eine Ungeeignetheit aus diesen Gründen nur in wenigen Fällen angenommen.

 

Was sind denn hier relevante Krankheitsbilder?

Die der Fahrerlaubnisverordnung anhängige Anlage 4 (FeV) beschreibt die Eignung bzw. bedingte Eignung zum Führen von Kfz bei verschiedenen Krankheiten und Mängeln.

Die Normen bezüglich eines mangelnden Sehvermögens sind gesondert geregelt in der Anlage 6. Ob eine Fahreignung ausgesprochen bzw. der Führerschein aufgrund einer Krankheit entzogen wird, ist eine Einzelfallentscheidung. Es lassen sich also keine pauschalen Aussagen treffen. Maßgebend sind die entsprechenden Gutachten. Die Anlage 4 FeV ist gegliedert in elf Unterpunkte zu verschieden Themenbereichen, die gemäß Fahrerlaubnisverordnung durch eine ärztliche Untersuchung begutachtet werden können.

Bei bestimmten Erkrankungen kann ein ärztliches Fahrverbot erteilt werden.


Gemäß Anlage 4 FeV können untersucht werden:

Mangelndes Sehvermögen (Anlage 6 beachten!)
Hochgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr)
Bewegungsbehinderungen
Herz- und Gefäßkrankheiten
Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
Krankheiten des Nervensystems
Psychische (geistige) Störung
Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit
Betäubungsmittel, andere psychoaktiv wirkende Stoffe und Arzneimittel
Nierenerkrankungen
Weitere Krankheiten und Mängel wie Tagesschläfrigkeit oder Störungen des Gleichgewichtssinnes

Hierzu zählen unter anderem auch Störungen des Gleichgewichtssinns oder auch die parkinsonsche Krankheit, sofern kein leichter Fall gegeben ist. Bei größeren Kraftfahrzeugen über 3500 kg sind die Anforderungen deutlich höher:

Bei Vorliegen eines zweiten Herzinfarktes soll hier zum Beispiel die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr gegeben sein. Grund für diese Einschätzung ist, dass Herzinfarktpatienten insbesondere nach Durchleiden eines zweiten Herzinfarktes, als akut gefährdet eingestuft werden. Allein diese akute Gefahr von Ausfallerscheinungen lässt die Entziehung der Fahrerlaubnis als gerechtfertigt erscheinen.

Gibt es Ausnahmen?

Die in Anlage 4 durch Benennung bestimmter Krankheiten und Mängel vorgenommenen Bewertungen gelten für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -Umstellungen sind möglich und gegebenenfalls zu berücksichtigen.

Dauerbrenner: Mangelndes Sehvermögen

Anlage 6 zur FeV legt fest, dass Mindestanforderungen an das Sehvermögen zu erfüllen sind. Der Sehtest (§12 Abs. 2 FeV) ist bestanden, wenn die zentrale Tagessehschärfe mit oder ohne Sehhilfen mindestens 0,7/0,7 beträgt.  Um diesen Wert nachzuweisen, hat sich der Bewerber um eine Fahrerlaubnis einem Sehtest zu unterziehen. Erst wenn dieser bestanden ist, wird die Fahrerlaubnis erteilt.

Und notfalls: 

Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens

Werden der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist, kann die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 46 Abs. 3 FeV in entsprechender Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen.

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie hieraus bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.