Erneuter Lockdown und die Grundrechte

  • 27. Oktober 2020
  • Thomas Klein

Angesichts erheblicher steigender Zahlen bei Corona Neuinfektionen steht ggf. ein weiterer Lockdown kurz bevor. Aber geht dies so einfach ?

Lockdown und Grundrechte

Die aktuellen Zahlen des RKI sind alarmierend. Nach Prognosen ist bald mit einer Zahl von mehr als 20000 Neuinfektionen pro Tag zu rechnen.

Dies ruft aktuell die Politik wieder auf den Plan, die mit neuen Regelungen eine Ausweitung verhindern will und in Teilbereichen, wie etwa der Gastronomie pp. erhebliche Einschränkungen bis hin zu Betriebsschließungen verfügen will.

Diese Situation war zu Beginn der Pandemie bereits im Frühjahr aktuell.

Während sich damals nur wenige Gedanken darüber gemacht haben, ob diese Maßnahmen zulässige Grundrechtseinschränkungen darstellen, mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen, dass dieses jetzt nicht mehr so geht.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich aktuell in mehr als 50 Fällen mit der Problematik der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen beschäftigt und bislang in den Eilverfahren nur in 3 Fällen den betroffenen Klägern Recht gegeben.

Diese Entscheidungen, die vornehmlich im zeitlichen Rahmen der 1. Welle einzuordnen sind, haben deutlich gemacht, dass damals jedenfalls eine Abwägung zwischen den Grundrechten der betroffenen Bürger, Schüler und Gewerbetreibenden und dem Grundrecht auf Leben und Unversehrtheit zu Gunsten letzerem ausfällt, so dass die teilweise drastischen Einschränkungen während des 1. Lockdowns noch zu rechtfertigen waren (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 29.4.2020, Az. 1 BvQ 47/20).

Viele der aktuell damit befassten Gerichte sind heute noch gleicher Meinung und stützen sich dabei auf die täglich veröffentlichten Infektionszahlen des RKI.

Diese weisen in der Tat täglich steigende Zahlen an Neuinfektionen und hohe R-Werte aus.

Um hier einen Kollaps des Gesundheitssystems und nicht mehr durch die Allgemeinheit zu finanzierende Kosten zu vermeiden und nicht noch mehr Tote zu riskieren, werden die Grundrechtseingriffe auch nach wie vor als rechtmäßig angesehen.

Würde dies aber aktuell einen weiteren Lockdown in bestimmten Bereichen, wie etwa bei Restaurants und Bars oder Fitnessstudios oder ähnlichen Lokalitäten rechtfertigen?

Sicher ist, dass die Pandemie sich drastisch ausweitet und bislang durch medizinische Maßnahmen nicht erfolgreich bekämpft werden kann, allenfalls verlangsamt und abgemildert werden kann.

Sicher ist, dass es viele tödliche Verläufe und Verläufe mit schweren Symptomen gibt, in vielen Fällen erfreulicherweise aber auch leichte Symptome -wie bei Erkältungen- auftreten, wobei allerdings leider die Spätfolgen einer Covid 19 Erkrankung noch nicht sicher vorhergesagt werden können, wahrscheinlich aber die einer "normalen" Erkältung deutlich negativ übersteigen werden.

Sicher ist auch, dass die Beschäftigten von Kliniken, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen pp. am Limit sind und auch ggf. Zeiten wieder kommen werden, in denen Intensivbetten in Krankenhäusern nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.

Sicher ist, dass die aufgrund einer Coronaerkrankung notwendige Quarantäne und die damit nicht gegebene Arbeitsmöglichkeit volkswirtschaftlich einen großen Schaden angerichtet hat und anrichten wird.

Sind dies genug Gründe, jetzt teilweise in bestimmten Bereichen wieder einschränkende Lockdowns anzuordnen?

Bei genauer Betrachtung muss man hier eindeutig mit "Nein" anworten !

Dabei sei die Frage, ob und welches Organ hier überhaupt für derartigen Anordnungen zuständig ist und ob es ausreichend abgesegnete gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gibt, einmal dahingestellt.

Fakt ist aber, dass man -zumindest was etwa Restaurants und Bars, Fitnessstudios und andere Einrichtungen anbelangt- aus der 1. Welle gelernt hat.

Hygeniekonzepte wurden damals angeordnet und werden umgesetzt, sei es in Form der Einhaltung von Abstandsregeln, der Desinfektion, dem Aufstellen von Raum- oder Platztrennern, der Erweiterung der Raumfläche für Benutzer durch Verkleinerung der zulässigen Besucher und auch der durchaus sinnvollen Einführung der MNB, die verhindern soll, dass man selbst andere ansteckt.

Wenn diese Maßnahmen aber weiterhin eingehalten werden und von den zuständigen Behörden auch kontrollierend verfolgt werden, so fällt es juristisch schwer , diese Bereiche jetzt mit einem weiteren (Teil-)Lockdown als Störer nach wie vor in Anspruch zu nehmen.

Denn die mit einer derartigen gesetzlichen Regelung verbundenen Eingriffe in Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 14 GG (Eigentumsrecht) hätten existenzvernichtende Wirkung ohne dass nachgewiesen werden könnte, dass diese Einrichtungen überhaupt Ursache für die Verbreitung sind, insbesondere dann, wenn die Hygeniekonzepte eingehalten werden.

Darüber hinaus wird dann auch noch in Art. 2 GG eingegriffen, der auch die persönliche Freiheit schützt.

Wer aber Nichtstörer ist, weil er sich an die Regeln hält, kann nicht mit einem derart schwerwiegenden existenziellen Eingriff belastet werden.

Eine pauschale Anordnung eines Lockdowns, der ggf. sogar nur beschränkt wird auf bestimmte Lebens- und Arbeitsbereiche, ist grundrechtlich nicht zu rechtfertigen und kollidiert auch mit Art. 3 GG, dem Gleichheitsgrundsatz.

Wenn man Restaurants oder Bars oder Fitnessstudios oder Kinos oder dergleichen schließt, so leuchtet nicht ein, warum man dies nicht bei allen Geschäften oder Dienstleistern ebenso macht.

Zudem ist der Anordner von derartigen Maßnahmen gehalten, die eingesetzten Mittel soweit als möglich zu limitieren, insbesondere zeitlich, wobei nach den vom RKI ausgegebenen Werten die Zeitdauer, nach der sich statistisch die Wirksamkeit von Maßnahmen bewerten lässt, bei maximal 2 bis 3 Wochen liegt.

So sehr die Zahlen auch steigen, so sollte -bevor ein derart in der Politik wohl vorschwebender weiterer Lockdown angedacht wird- zunächst Ursachenforschung betrieben werden.

Wenn man dann die Störer von den Nichtstörern separiert hat, sind Maßnahmen gegenüber den Störern, also denen, die Hygeniekonzepte nicht einhalten und durch falsch verstandende Freiheitsliebe andere gefährden, sicher angezeigt.

Eine pauschale "Verurteilung" bestimmter Geschäftszweige lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes aber nicht aufrechterhalten und wird -dies zeigen erste Entscheidungen zum Beherbergungsverbot- von den Gerichten auch nicht mehr so pauschal akzeptiert werden.

Dennoch gilt:

Tun Sie alles, um gesund zu bleiben und bleiben Sie bitte gesund!