Wegfall der Unterhaltspflicht bei Krankheit?

  • 07. Januar 2024
  • Thomas Klein

Ein häufig auftretendes Problem in der Praxis: Der Unterhaltsschuldner wird krank und erzielt nicht mehr das alte Einkommen. Kann er dann weniger Unterhalt zahlen?

Wegfall der Unterhaltspflicht bei Krankheit?

Ein alltägliches Problem:

 

Der Unterhaltsschuldner, der Kindesunterhalt und Unterhalt für seinen Ehepartner schuldet, wird krank.

Statt des vorher erzielten Einkommens wird nunmehr Einkommen aus Krankengeld oder anderen Leistungen erzielt, das deutlich das alte Einkommen unterschreitet. Und nun?

 

Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder besagt § 1603 II BGB, dass der Unterhaltsschuldner gesteigert zur Erwerbsobliegenheit verpflichtet ist. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass immer der Mindestunterhalt sicherzustellen ist.

Kommt es dann zu einer Erkrankung des Unterhaltsschuldners mit niedrigerem Einkommen, sieht die Rechtsprechung dies erst dann für relevant an, wenn die Erkrankung länger als 6 Monate den Unterhaltschuldner an der Arbeit hindert. Denn hier verpflichtet die Rechtsprechung den Unterhaltsschuldner dazu, Rücklagen vorher zu bilden, um die Engpässe durch niedrigeres Einkommen zu überbrücken.

Nach Ablauf dieser Zeit gilt:

Wenn ein Schuldner sich darauf berufen will, aufgrund einer Erkrankung kein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des Kindesunterhalts erzielen zu können, ist dieser Einwand zwar grundsätzlich beachtlich. Dem Unterhaltsschuldner obliegt dann jedoch die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, welche seine Leistungsfähigkeit für den Mindestunterhalt mindern oder entfallen lassen könnten. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und das Ausmaß der Minderung der Arbeitsfähigkeit sind substanziiert darzulegen und ggf. zu beweisen(BGH Az. XII ZB 201/19).

Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an den Unterhaltsschuldner dann stellt, sind sehr hoch und in der Praxis kaum zu erüllen.

Es muss zunächst ein aussagekräftiges Attest vorgelegt werden.

Wenn ein Attest vorgelegt wird, wird verlangt, dass die Diagnose hieraus verständlich hervorgeht. Daran können Zweifel bestehen, wenn ein Wort mit möglicher Schlüsselbedeutung unleserlich ist. Dass ein konkrete Angaben enthaltendes Attest über eine spezifische Erkrankung nicht von einem einschlägigen Facharzt erstellt wurde, mindert für sich genommen seine Aussagekraft nicht von vornherein. Ein Attest sollte jedoch ein vollständiges Bild ergeben, sodass Atteste von Fachärzten in ihrer Aussagekraft grundsätzlich höherwertig sind.

Aus dem Attest soll sich ergeben, wann und wie Verletzungen genau entstanden sind, welche konkreten Auswirkungen sie auf die Lebensführung/körperliche Belastbarkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils haben (zB Beweglichkeitseinschränkungen, Schmerzempfinden usw) und welche Therapien bzw. Reha-Maßnahmen angewandt wurden oder ggf. nicht Erfolg versprechend sind. Zudem soll sich aus dem Attest schlüssig ergeben, weshalb bspw. eine Befähigung nur zu einer Halbtagstätigkeit gegeben sein soll.

Genügt das Attest diesen Anforderungen nicht, wird es von der Rechtsprechung schon nicht als geeigneter Nachweis angesehen.

Dies hat dann zur Folge, dass so getan wird, dass der Unterhaltsschuldner nicht krank ist und seine verminderten Einkünfte damit nicht anerkannt werden. Es wird ihm dann fiktives Einkommen zugerechnet, und zwar das, was er ohne Erkrankung früher hatte (vgl. etwa: KG Berlin Az. 13 UF 40/15)

Wenn das Attest den o.g. Anforderungen genügt, so ist das Gericht verpflichtet, durch ein gerichtlich angeordneten medizinisches Sachverständigengutachten der Frage nachzugehen, ob diese Erkrankung besteht und wie lange und ob sie den Unterhaltsschuldnern außerstande setzt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Unterhaltsschuldner muss aber zudem nach der Rechtsprechung auch noch im einzelnen darlegen, was er getan hat, um wieder gesund zu werden.

Bei Erkrankungen besteht eine Obliegenheit zur Durchführung zumutbarer medizinischer Behandlungen zur Wiederherstellung der Arbeitskraft; dies gilt insbesondere bei Suchterkrankungen; der Schuldner ist zu ärztlich gebotenen Entziehungsmaßnahmen verpflichtet (OLG Brandenburg Az. 13 UF 57/18 ).

Allgemein gilt folgender Grundsatz:

Ist der Unterhaltsschuldner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage vollschichtig zu arbeiten, ist eine fortbestehende vollständige oder teilweise Erwerbsunfähigkeit unterhaltsrechtlich vorwerfbar, wenn er bei rechtzeitiger ärztlicher Behandlung voraussichtlich entsprechend erwerbstätig hätte sein können. Der Unterhaltsschuldner muss im Einzelnen darlegen, welche Schritte er zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit unternommen hat und weshalb keine Besserung eingetreten ist. Steht nicht fest, dass die Krankheit unheilbar ist, so muss der Schuldner auch dann weitere Heilungsbemühungen unternehmen und Therapiechancen nutzen, wenn diese Versuche in der Vergangenheit bislang erfolglos waren.

Insgesamt sind dies hohe Hürden, die der Unterhaltsschuldner erfüllen muss, um sich darauf berufen zu können, zukünftig weniger Unterhalt zahlen zu können.