Abgasskandal und PKW Kartell

  • 23. Juli 2017
  • Thomas Klein

Die Automobilindustrie kommt nicht zur Ruhe. Neben dem Abgasskandal, der fast jeden Hersteller von PKWs betrifft, gibt es nunmehr auch noch starke Anhaltspunkte dafür, dass es ein sog. PKW Kartell gibt, in dem namhafte Hersteller deutscher Fahrzeuge Preisabsprachen zu Lasten des Endverbrauchers getroffen haben. Was sind Ihre Rechte als Verbraucher?

Abgasskandal und PKW Kartell

Worum geht es?

Die EU-Kartellwächter prüfen einem Pressebericht zufolge mögliche Absprachen deutscher Autohersteller zum Abgasbetrug. Grundlage der Untersuchung sei ein Dokument der Volkswagen-Tochter Audi, berichtet das Handelsblatt (Ausgabe vom 21. Juli 2017) unter Berufung auf eine Präsentation zur „Clean Diesel Strategie“ des Ingolstädter Unternehmens von April 2010. In den Unterlagen des sogenannten technischen Steuerungskreises der Firma soll demnach von einem „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“ die Rede sein, künftig kleine Adblue-Tanks zu verwenden.

Adblue ist ein Harnstoff-Wasser-Gemisch, mit dem in der Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen gesundheitsgefährdende Stickoxide chemisch umgewandelt und damit weitgehend neutralisiert werden sollen. Im von Volkswagen ausgelösten begangenen Abgasbetrug hatte das Gemisch eine wesentliche Rolle gespielt: Weil die Tanks auch aus Kostengründen kleingehalten und die Nachfüllstopps an der Tankstelle für den Kunden reduziert werden sollten, wurde auf der Straße nicht soviel Adblue bei der Abgasreinigung eingespritzt, wie zur Erreichung der Emissionsgrenzwerte erforderlich gewesen wäre.

Die Unterlagen von Audi soll die Staatsanwaltschaft München laut dem Bericht bei einer Durchsuchung von Audi-Standorten Mitte März mitgenommen haben. Die deutschen Autobauer Audi, Volkswagen, Daimler und BMW wollten sich dem Handelsblatt zufolge nicht zu angeblichen Absprachen äußern. Darüber hinaus soll es Preisabsprachen beim Stahl und anderen Zulieferteilen gegeben haben.

Kann ich als Verbraucher jetzt schon Rechte geltend machen?

Nein. Zunächst ist es sinnvoll, die Untersuchungen der EU abzuwarten. Sollte diese eine entsprechende Kartellabsprache feststellen und belegen können, werden gegen die betroffenen Unternehmen Geldbußen verhangen und Bescheide ergehen, so wie es im vergangenen Jahr beim sog. LKW Kartell der Fall gewesen ist.

Woraus leitet sich der Anspruch des Verbrauchers auf Schadensersatz her?

§ 33 GWB gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, seinen Schaden im Falle eines sog. PKW Kartells vor deutschen Gerichten geltend zu machen.

Das OLG Jena hat dies in einem Fall der Kartellverstoßes bei Stahlpreisen im Gleisbau (für PKW Kartelle gilt nicht anders) vor kurzem wie folgt zusammengefasst:

"Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines Kartellverstoßes wegen der beiden Beschaffungsvorgänge  ist § GWB § 33 GWB in Verbindung mit § GWB § 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998 (gültig vom 01.01.1999 bis 30.06.2005). Insoweit handelt es sich um ein Schutzgesetz zumindest zugunsten des direkten Abnehmers. An der Anwendbarkeit von §§ GWB § 1, GWB § 33 GWB a. F. ändert wegen der allgemeinen Regeln des intertemporären Rechts nichts, dass diese Vorschriften des GWB am 01.07.2005 außer Kraft getreten sind, weil Schuldverhältnisse grundsätzlich nach demjenigen Recht zu beurteilen sind, welches zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses galt. Für den gesetzlichen Schadensersatzanspruch, der aufgrund eines Kartellverstoßes entsteht, gilt insofern nichts Abweichendes. Für die beiden anderen Beschaffungsvorgänge aus den Jahren 2007 und 2009 ist Anspruchsgrundlage § GWB § 33 GWB in seiner ab dem 1.7.2005 infolge der siebten GWB-Novelle geltenden Fassung.

Insoweit haften auch beide Beklagte.

Nach § GWB § 33 Abs. GWB § 33 Absatz 4 GWB n. F. steht fest, dass die Beklagten zumindest von 2001 bis Mai 2011 zusammen mit anderen Herstellern, zu denen auch die Streithelferinnen gehörten, als Hersteller bzw. Händler von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland kartellrechtswidrige Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen haben und damit sowohl gegen § GWB § 1 GWB als auch gegen § GWB § 33 GWB verstoßen haben.

Überdies hat die Kartellbehörde Entsprechendes mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid vom 18.7.2013 (Anlage B 1) auch mit Wirkung für den vorliegenden Zivilrechtsstreit festgestellt (§ GWB § 33 Abs. GWB § 33 Absatz 4 GWB). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Anwendung des § GWB § 33 Abs. GWB § 33 Absatz 4 GWB nicht entgegen, dass die Vorschrift erst am 13.07.2005 in Kraft getreten ist, ein Teil der streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge aber bereits 2011 bzw. 2002 abgeschlossen waren. Aufgrund des prozessualen Charakters der Norm ist allein maßgeblich, wann das kartellbehördliche Verfahren bestandskräftig abgeschlossen worden ist (ebenso OLG Karlsruhe a. a. O., Rn. 47; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 2763 Tz. 35). Die mit Wirkung zum 13.07.2005 eingeführte Norm des § BGB § 33 Abs. BGB § 33 Absatz 4 BGB war jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens im Jahr 2013 in Kraft."

Wie hoch ist der Schaden und wie kann ich meinen Schaden belegen?

Die Schadenshöhe steht naturgemäß vor Abschluss der Ermittlungen noch nicht fest. Zieht man einen Vergleich zu den Ermittlungen im sog. LKW Kartell aus dem Jahre 2016, so kann man mit einem Betrag in Höhe von durchschnittlich 15 % arbeiten, d.h. das das Fahrzeug -bezogen auf den tatsächlich gezahlten Bruttokaufpreis- um 15 % zu teuer war.

Hat man also ein Fahrzeug für 20000 Euro erworben, läge der Schaden bei rund 3000 Euro.

Viele haben sich schon beim LKW Kartell Schadensersatz große Sorgen über die Ermittlung des Schadens und die Kosten für die Ermittlung gemacht. Vielfach wurde hier ausgeführt, es müssten makroökonomische Gutachten her, die allerdings bis zu 50000 Euro kosten. Dies sollte viele von der Erhebung von Klagen abhalten.

Dem ist indessen nicht so.

Denn es existiert zum LKW Kartell eine Schadensschätzung in Höhe der angeprochenden 15 % und es ist davon auszugehen, dass auch bei einem später festgestellten PKW Kartell entsprechende Feststellungen von Seiten der EU getroffen werden. Liegen diese Schätzungen aber vor und berücksichtigt man zudem einen von der EU vor einiger Zeit veröffentlichten praktischen Leitfaden zur Schadenshöhe in derartigen Fällen, so ist es dann Aufgabe des Schädigers, nachzuweisen und zu belegen, dass der Schaden geringer ist.

In einem beim Landgericht Stuttgart eingereichten Verfahren vertrat die zuständige Kammer unter Berücksichtigung hierzu vorliegender Urteile des BGH ebenfalls diese Ansicht, was dann die Vergleichsbereitschaft des LKW Herstellers drastisch steigerte.

Mit dieser juristischen Argumentation -die Einzelheiten sind recht komlex- wird auch im Falle eines PKW Kartells es dem Verbraucher möglich sein, ohne große Kostenlast das Verfahren durchzuführen.

Droht in diesen Fällen eigentlich die Verjährung der Ansprüche?

Ja. Aber:

Maßgeblich ist insoweit die 10-jährige Verjährungsfrist nach § BGB § 199 Abs. BGB § 199 Absatz 3 Nr. BGB § 199 Absatz 3 Nummer 1 BGB.  Aber die Verjährung wird durch die Einleitung des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens gehemmt (§ GWB § 33 Abs. GWB § 33 Absatz 5 GWB).

Erst wenn dieses abgeschlossen ist -dies wird allgemein veröffentlicht- ist das Problem der Verjährung zu beachten.