Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit

  • 22. November 2017
  • Thomas Klein

In der arbeitsrechtlichen Praxis häufig anzutreffen. Die krankheitsbedingte Kündigung. Was gilt hier? Ein Überblick...

Kündigung wegen Krankheit


 
 
 
 
In den Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer nur dann rechtswirksam kündigen, wenn die Kündigung durch Gründe bedingt ist, die in der Person (personenbedingt) oder in dem Verhalten (verhaltensbedingt) des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (betriebsbedingt).

Die krankheitsbedingte Kündigung ist der wichtigste Unterfall der personenbedingten Kündigung.

Als "krankheitsbedingte Kündigung" wird daher eine arbeitgeberseitig ausgesprochene Kündigung bezeichnet, mit der einem Arbeitnehmer ordentlich gekündigt wird, da er aufgrund seiner Krankheit den Arbeitsvertrag nicht mehr erfüllen kann.

 
Wo ist dies gesetzlich geregelt?

Die Rahmenbedingungen der personenbedingten (krankheitsbedingten) Kündigung sind im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt. Die Rechtsprechung hat in Konkretisierung dessen Voraussetzungen vorgegeben, die vorliegen müssen, damit eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist.

Was sind die Voraussetzungen?
 

Fällt ein Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, ist eine Kündigung wegen Krankheit in der Regel nur in 3 Fällen sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes:

-Langandauernde Einzelerkrankung, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nicht abzusehen ist, ob und wann der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig wird, und aus betrieblichen Gründen eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes notwendig ist.


-Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit und gerechtfertigte Annahme, dass sich der Gesundheitszustand auch in Zukunft nicht bessern wird, sodass weiter mit häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist.


-Krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit.

Im einzelnen:


Eine ordentliche Kündigung wegen einer langandauernden Einzelerkrankung kommt als letztes Mittel erst dann in Betracht, wenn dem Arbeitgeber die Durchführung von Überbrückungsmaßnahmen (z. B. Einstellung von Aushilfskräften, Überstunden, personelle Umorganisation) nicht möglich oder nicht mehr zumutbar ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs aufgrund der objektiven Umstände mit einer Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit zu rechnen ist und gerade diese Ungewissheit zu unzumutbaren betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastungen führt.

Bei der durch den Arbeitgeber vorzunehmenden Gesundheitsprognose kommt es auf die tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Kündigung an. Eine nach Kündigungszugang, aber vor Ende der Kündigungsfrist durchgeführte Entziehungskur eines Alkoholkranken macht die Kündigung nicht unwirksam. Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht nur bei eindeutig positiver Gesundheitsprognose.

Arbeitnehmer, die länger als 2 Jahre krank sind, müssen zumindest in kleinen und mittleren Unternehmen wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen damit rechnen, gekündigt zu werden. Das Bundesarbeitsgericht orientiert sich an der gesetzlichen Obergrenze für befristete Aushilfsverträge von ebenfalls 24 Monaten, die es den Betrieben schwer macht, für einen noch längeren Zeitraum eine Vertretungslösung zu organisieren.


Die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ist vom Gericht in 3 Stufen zu prüfen:

1. Stufe: Besorgnis weiterer Erkrankungen

Zunächst ist festzustellen, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorgelegen haben, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen.

Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen, die entsprechende Fehlzeiten in der Zukunft erwarten lassen. Daraufhin muss der Arbeitnehmer dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

2. Stufe: Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist ein Teil des Kündigungsgrundes. Es kommen 2 Arten von Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen in Betracht:

Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozess wie Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzten, erst einzuarbeitenden Ersatzpersonals, Überlastung des verbliebenen Personals oder Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Arbeitsbereichen führen (Betriebsablaufstörungen). Solche Störungen sind nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können, z. B. Neueinstellung einer Aushilfskraft, aber auch der Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer vorgehaltenen Personalreserve. Die Möglichkeit der Einstellung von Aushilfskräften ist bei Kurzerkrankungen gegenüber Langzeiterkrankungen eingeschränkt.

Ein zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneter Grund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers sein. Davon ist auszugehen, wenn mit immer neuen beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers und entsprechenden Mehraufwendungen für die Beschäftigung von Aushilfskräften zu rechnen ist. Das gilt auch für hohe Entgeltfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Gesamtbelastung des Betriebs mit Entgeltfortzahlungskosten abzustellen.

3. Stufe: Interessenabwägung

Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einer 3. Stufe im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist allgemein zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers. Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung sind bei der Interessenabwägung stets zu berücksichtigen.

In dieser 3. Stufe ist ferner zu prüfen, ob dem Arbeitgeber zumutbar ist, die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen durch an sich weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern.

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und der Interessenvertretung zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Wird eine Kündigung ausgesprochen, ohne zuvor dieses betriebliche Eingliederungsmanagement durchgeführt zu haben, so führt dies nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Die gesetzliche Regelung ist aber auch nicht nur ein bloßer Programmsatz, sondern Ausprägung des das Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Führt der Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement durch, kann dies Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten haben.

Die Vorhaltung einer Personalreserve ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Belastung des Arbeitgebers mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten ebenfalls zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Wie sich der Arbeitgeber entscheidet, ob er überhaupt eine Personalreserve vorhält und auf welchen Prozentsatz er sie bemisst, stellt eine freie Unternehmerentscheidung dar, die nur einer beschränkten Kontrolle durch die Gerichte unterliegt, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Es würde einen indirekten Eingriff in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit darstellen, wollte man dem Arbeitgeber, der keine Personalreserve vorhält, eine krankheitsbedingte Kündigung aufgrund erheblicher Entgeltfortzahlungskosten grundsätzlich verwehren, während man bei dem Arbeitgeber, der eine noch so geringe Personalreserve vorhält, die Kündigung allein aufgrund der Entgeltfortzahlungskosten zulässt oder sogar noch bei der Interessenabwägung die Personalreserve zu seinen Gunsten berücksichtigt.

Ganz erheblich für die Frage, wann Entgeltfortzahlungskosten eine Kündigung rechtfertigen, ist auch ein Vergleich mit Arbeitnehmern, die eine vergleichbare Arbeit unter ähnlichen Bedingungen verrichten. Ist auch bei den Kollegen die Quote der krankheitsbedingten Ausfälle besonders hoch, dann kann nur eine ganz erheblich höhere Ausfallquote eine Kündigung rechtfertigen, und dies auch nur, wenn Überbrückungsmaßnahmen nicht erfolgreich oder nicht zumutbar gewesen sind.

Fehlzeiten und Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum bis zu 6 Wochen im Jahr sind kündigungsrechtlich unerheblich. Im Übrigen gibt es keine festen Grenzwerte für die krankheitsbedingte Kündigung. Die Entscheidung über die Sozialwidrigkeit der Kündigung hängt vielmehr stets von den Umständen des Einzelfalls, namentlich der Ursache der Erkrankungen, dem Alter des Arbeitnehmers, der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und dem bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses ab. Gleiches gilt für die Entgeltfortzahlungskosten. Sie müssen zum einen erheblich sein, was aber bei jährlich mehr als 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit anzunehmen ist, zum anderen müssen sie zu einer unzumutbaren Belastung für den Arbeitgeber geworden sein.
 

Und was ist bei krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit?


Eine krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen sozial zu rechtfertigen. Es muss sich jedoch um eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit handeln. Eine solche hat das BAG bejaht bei einer Minderleistung von 2/3 der Normalleistung. Zusätzlich ist für eine ordentliche Kündigung erforderlich, dass dies zu einer unzumutbaren betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastung führt.

Einer krankheitsbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit bei älteren Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber regelmäßig durch organisatorische Maßnahmen (z. B. Änderung des Arbeitsablaufs, menschengerechtere Gestaltung des Arbeitsplatzes, Umverteilung der Aufgaben) begegnen.