Abgasskandal....aktuelle Urteile

  • 14. Dezember 2017
  • Thomas Klein

Der sog. Abgasskandal weitet sich aus. Die Folgen für den Verbraucher sind bereits jetzt immens, könnten aber im Jahre 2018 zum Fiasko werden. Ein aktuelles Urteil des Landgerichtes Aachen im Überblick...

Abgasskandal....aktuelle Urteile

Das Urteil des Landgerichtes Aachen:

Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. XX-Abgasskandals von der Beklagten, einer Vertragshändlerin der R AG (im Folgenden: VW), die Rückabwicklung eines mit dieser geschlossenen Neuwagen-Kaufvertrages.

Am 14.09.2012 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über den im Klageantrag zu 1) näher bezeichneten PKW VW Tiguan 2,0 l TDI 103 kw zu einem Preis von 40.254,11 Euro. Der Wagen wurde am 01.10.2012 erstmalig zugelassen und am 02.10.2012 an den Kläger ausgeliefert. In dem vorgenannten Fahrzeug ist ein von XX hergestellter 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 verbaut. Dieser Motor steht in Verbindung mit einer Software, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimiert. Das Motorsteuerungsgerät ermöglicht dabei zwei Betriebsmodi bei der Abgasrückführung, einen Stickstoff-optimierten Modus 1 (sog. NEFZ) mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einen Partikel-optimierten-Modus 0 (Fahrbetrieb), bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist. Die Software des Motorsteuerungsgerätes erkennt, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Während des Prüfstandtests spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß dann das andere Motorprogramm ab, nämlich Modus 1 anstatt Modus 0, sodass hierdurch geringere Stickoxidwerte (im Folgenden: NOx) erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte wie auch die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen im Abgasrückführungs-Modus 0 betrieben.

Nach Bekanntwerden des Einsatzes der Manipulationssoftware in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen des XX Konzerns legte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dem Herstellerkonzern auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das KBA einen vorgelegten Maßnahmenplan und gab zeitlich gestaffelt, die auf den jeweiligen Fahrzeugtyp abgestimmte Software-Updates frei. Auch ohne das Software-Update ist der streitgegenständliche Wagen fahrbereit und verkehrssicher. Auch wurde die EG-Typengenehmigung nicht entzogen, wenngleich das KBA das Aufspielen der jeweiligen Software als verpflichtend ansieht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.11.2015 rügte der Kläger gegenüber der Beklagte die Mangelhaftigkeit seines Fahrzeuges infolge der manipulierenden Abgassoftware und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 16.12.2015 erfolglos zur Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs gleichen Typs und Ausstattung sowie vorsorglich zur Nachbesserung innerhalb derselben Frist auf.

Mit Schreiben vom 19.11.2015 verwies die Beklagte den Kläger auf die gegenwärtige Entwicklung eines Software-Updates für solche Motoren, deren Ausstoß von NOx auf dem Prüfstand optimiert werde und verzichtete auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2016 im Hinblick auf etwaige Sachmängelhaftungsansprüche, die im Zusammenhang mit der eingebauten Software bestehen könnten, soweit diese noch nicht verjährt seien.

Unter dem 15.01.2016 erklärte der Kläger mit weiterem anwaltlichem Schreiben den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 02.02.2016 zur Abholung des Pkws und zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen auf. Die Beklagte widersprach dem erklärten Rücktritt mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2016.

Mit Bescheid vom 01.06.2016 genehmigte das KBA die technischen Maßnahmen für Fahrzeuge des Typs VW Tiguan wie den streitgegenständlichen Wagen. Entsprechend wurde der Kläger bereits im Juli 2016 durch den XX Konzern und mit Schreiben vom 06.09.2016 nochmals durch die Beklagte über das Bereitstehen der Software-Lösung informiert. Mit Schriftsatz vom 08.07.2016 erklärte der Kläger erneut den Rücktritt vom streitgegenständlichen Kaufvertrag. Am 20.09.2016 ließ der Kläger das freigegebene Software-Update zur Umprogrammierung des Motorsteuerungsgerätes aufspielen.

Der Kläger meint, der streitgegenständliche PKW sei aufgrund der manipulierten Software mangelhaft. Eine erfolgreiche Nachbesserung sei auch durch die Durchführung des Software-Updates nicht möglich. Denn jedenfalls bleibe ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs bestehen, da der Wagen auch nach der Reparatur zu einer bemakelten Fahrzeuggruppe gehöre und die langfristigen Auswirkungen der vorzunehmenden Maßnahme völlig unbekannt seien. Er behauptet, durch das Update werde lediglich ein neuer Modus geschaffen, der mit dem Modus 1 nicht vergleichbar sei. Nach Durchführung der Maßnahme sei der Kraftstoffverbrauch seines Wagens erheblich angestiegen. Zuvor habe der Langzeitverbrauch bei 6,9l/100 km gelegen, nach der Umrüstung liege er hingegen bei 8,7l/km, was einem Mehrverbrauch von knapp 26 % entspreche. Nach der Hinfahrt zum Verhandlungstermin am 28.09.2016 habe die Laufleistung seines PKWs 52.217 km betragen.

Mit der am 17.05.2016 zugestellten Klage hat der Kläger angekündigt zu beantragen,

       die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.254,11 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.02.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung des PKW VW Tiguan, Baujahr 2012 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XXXXXXXXX;

       festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag zu 1) genannten PKWs in Verzug befindet;

 

Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Emissionsgrenzwerte der Abgasnormen müssten im normalen Fahrbetrieb nicht eingehalten werden, weshalb auch nicht die Entziehung der EG-Typengenehmigung drohe. Eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen. Im Übrigen sei der Rücktritt wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen. Insbesondere liege ein geringer Mangelbeseitigungsaufwand von max. 1 Stunde vor, der mit Kosten von allenfalls 100,00 Euro verbunden sei. Nach Durchführung des Software-Updates laufe die Abgasrückführung nur noch im Betriebsmodus 1. Irgendwelche Nachteile oder negative Folgen für Kraftstoffverbrauch, Motorleistung, Abgaswerte oder Haltbarkeit lägen nicht vor. Jedenfalls habe die Durchführung des Software-Updates durch den Kläger vorliegend dazu geführt, dass er sich nach § 242 BGB nicht mehr auf den erklärten Rücktritt berufen könne.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2016 (Bl. 534 d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und hat lediglich im Hinblick auf den Klageantrag zu 3) und eine geringfügig höher anzusetzende Nutzungsentschädigung keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 756, 765 ZPO ein schützenswertes Interesse im Sinne des § 256 ZPO an der begehrten Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 346 Abs. 1, 348, 437 Abs. 2, 323, 434 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzanspruches der Beklagten in Höhe von insgesamt 31.738,44 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen VW Tiguan zu.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, vgl. § 349 BGB.

Die Parteien waren durch den im September 2012 geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen VW Tiguan vertraglich miteinander verbunden. Der PKW war indes zum Zeitpunkt der Übergabe am 02.10.2012 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuerungsgerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 T. 2 Nr. 2 BGB aufwies.

Nach § 434 Abs. 1 T. 2 Nr. 2 BGB ist ein Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache verlangen kann. Maßgeblich ist die objektiv berechtigte Käufererwartung (vgl. BGH, Urteil vom 29. 6. 2011, VIII ZR 202/10 NJW 2011, 2872, 2873 N.X.N.). Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs – wie der Kläger – kann berechtigterweise davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der NOx-Ausstoß reduziert wird (vgl. LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, 16 O 790/16, juris Rn 26; LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, 11 O 341/15, juris Rn 18). Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass die unter Laborbedingungen erzielten Werte im Straßenverkehr nicht eingehalten werden müssen. Indes erweist es sich als beanstandungswürdig, wenn der verbaute Motor die gesetzlichen Vorgaben im Prüfstandlauf nur deshalb einhält, weil die Software regulierend einwirkt und die Motorsteuerung in den NOx-optimierten Modus 1 schaltet. Zwar gibt der Prüfstandmodus, wie allgemein bekannt ist, nicht den realen Motorbetrieb wieder. Allerdings geht ein Käufer von einer grundsätzlichen Übertragbarkeit der dort ermittelten Werte auf das Verbrauchsverhalten und die zu erwartenden Emissionswerte des jeweiligen Fahrzeugs auch im realen Straßenverkehr aus (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, 2 O 72/16, juris Rn 25; LG Bochum, Urteil vom 16.03.2016, 2 O 425/15, juris Rn 17). Dieser grundsätzlichen Vergleichbarkeit wird aber durch den Einsatz der Software die Grundlage entzogen. Im Ergebnis stellt die Beklagte auch nicht in Abrede, dass der Modus 1 mit höherer Abgasrückführung ausschließlich bei der Prüfstandfahrt verwendet wird. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer Täuschung des Klägers über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der in Prospekten und Werbung veröffentlichen Messwerte mit den im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerten.

Gleichermaßen wies das klägerische Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrenübergangs deshalb nicht die zu erwartende Beschaffenheit auf, weil das Fahrzeug – auch nach dem Vorbringen der Beklagten – zwingend einem Software-Update unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des KBA zu genügen und keine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV zu riskieren (vgl. Anlage K 42, Bl. 539 d.A.; LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996)).

Weiterhin ist der Rücktritt auch nicht nach § 323 Abs. 5 T. 2 BGB ausgeschlossen. Die Pflichtverletzung erweist sich unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles jedenfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung nicht als unerheblich.

Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der u.a. der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2011, VIII ZR 202/10 NJW 2011, 2872, 2874; Urteil vom 24.03.2006, V ZR 173/05, NJW 2006, 1960, 1961).

Entgegen der Ansicht der Beklagte erweist sich die Pflichtverletzung nicht bereits deshalb als unerheblich, wenn sich das Software-Update in einer vergleichsweise kurzen Zeit von ca. einer Stunde bei Kosten von weniger als 100,00 Euro für die Herstellerfirma aufspielen lässt. Denn die Beklagte berücksichtigt nicht, dass der Aufwand der Mangelbeseitigung nicht alleine maßgeblich ist. Entgegen ihrer Darstellung handelt es sich nicht um eine einfache technische Maßnahme. Hiergegen spricht bereits die erhebliche Zeit von knapp einem Jahr, die es gedauert hat, um eine technische Lösung zu entwickeln. Hinzukommt, dass XX gegenüber dem KBA einen Maßnahmenplan vorlegen und die jeweiligen konkrete Software durch das KBA geprüft und freigegeben werden musste. Bedarf eine Mängelbeseitigungsmaßnahme der umfassenden vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung, so ist die Pflichtverletzung nicht mehr als unerheblich anzusehen (vgl. LG München J, Urteil vom 14.04.2016, 23 O #####/####, juris Rn 42; LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, 2 O 72/16, juris Rn 48).

Gleichermaßen war zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch den Kläger, auf den abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2011, VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708, 3709 N.X.N.), nicht abzusehen, ob die Korrektur der bisherigen Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Hinzukommt, dass derzeit noch nicht abzusehen ist, ob sich allein durch die Betroffenheit des klägerischen Fahrzeugs vom Abgasskandal ein merkantiler Minderwert für den streitgegenständlichen Tiguan realisieren wird. Im Hinblick auf die umfassende Berichterstattung zum sog. Abgasskandal und die sich daraus in der Öffentlichkeit ergebenen kontroversen Diskussionen, auch über einen etwaigen Mehrverbrauch nach durchgeführter Nachbesserung, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich dies auf den im Falle eines Verkaufs zu erzielenden Wiederverkaufspreis negativ auswirkt. Dieser Bewertung stünde auch nicht entgegen, wenn die gegenteilige Behauptung der Beklagten, die Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt vehement verneint, derzeit zuträfe. Insoweit ist allgemein bekannt, dass sich wertnachteilige Umstände auch erst mit zeitlicher Verzögerung auswirken können, zumal vorliegend die Rückrufaktion erst Mitte 2016 angelaufen ist.

Der Kläger hat der Beklagten auch eine erfolglose Frist zur Nachbesserung gesetzt, § 323 Abs. 1 BGB. Zwar erweist sich die in dem anwaltlichen Schreiben vom 17.11.2015 bis zum 16.12.2015 gesetzte Frist angesichts der Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren verschiedenster Modelle von XX und des technischen Aufwands für die Entwicklung einer Lösung als zu kurz bemessen. Jedoch tritt anstelle der zu kurzen Frist eine objektiv angemessene Frist (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.1985, V ZR 134/84 NJW 1985, 2640, 2640). Vorliegend kann dahinstehen, wie lange eine angemessene Frist zu bemessen gewesen wäre und insbesondere ob es für den Kläger zumutbar gewesen wäre auf die Freigabe der Software-Lösung durch das KBA zu warten (in diese Richtung: LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996). Denn jedenfalls hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 25.01.2016 ausdrücklich eine Nachbesserung im Rahmen der Mängelgewährleistungsrechte abgelehnt und den Kläger – quasi aus Kulanz – auf die VW-Rückrufaktion verwiesen. Diese Rechtsansicht hat die Beklagte auch im weiteren Verfahren geäußert und korrespondiert damit mit dem Auftreten und den Äußerungen von VW in der Öffentlichkeit. Nicht nur, dass die Beklagte das Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 434 BGB negiert und deshalb Gewährleistungsrechte als nicht gegeben ansieht – vielmehr hat sie durch das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, sodass mit dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch eine angemessene Nachfrist als abgelaufen anzusehen ist. Im Übrigen wäre auch eine angemessene Frist jedenfalls im Frühjahr 2016 als abgelaufen anzusehen gewesen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem erklärten Rücktritt durch das am 20.09.2016 erfolgte Aufspielen des Software-Updates auch nicht der „Boden entzogen worden“. Es kann dahin stehen, ob durch das Software-Update der ursprüngliche Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgreich behoben worden ist. Denn jedenfalls wäre der Kläger nur dann unter dem Gesichtspunkt des treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB an dem Festhalten der durch den wirksam erklärten Rücktritt erlangten Rechtsposition gehindert, wenn die Mängelbeseitigung mit seiner Zustimmung erfolgt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2008, VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508, 509; Urteil vom 19.06.1996, VIII ZR 252/95, NJW 1996, 2647, 2648).

Gemessen an diesen Maßstäben liegt vorliegend jedoch eine Zustimmung des Klägers zur Durchführung der Mängelbeseitigungsmaßnahme nicht vor. Im Gegenteil – der Kläger war gerade nicht frei in seiner Entscheidung, das Software-Update aufspielen zu lassen. Denn in dem durch den Kläger als Anlage K 42 vorgelegten Informationsschreiben des VW Konzerns vom Juli 2016 wurde dem Kläger deutlich gemacht, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV erfolgen könne. Um dem Entzug der Betriebserlaubnis zu entgehen und um sein Fahrzeug weiter nutzen zu können, war der Kläger gezwungen, entsprechend der Aufforderung des Herstellers und auch der Beklagten zu agieren. Gleichermaßen hätte das klägerische Fahrzeug bei einer Verweigerung des Updates nicht die Anforderungen der Euro-5-Abgasnorm erfüllt, sodass dem Kläger im Rahmen der nächsten Abgasuntersuchung der Entzug der Grünen Plakette gedroht hätte.

Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem streitgegenständlichen Wagen auch die durch die Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Fahrzeugs nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB ersetzt. Dementsprechend hat sich der Kläger auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis von 40.254,11 Euro eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen.

Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass das klägerische Fahrzeug am 28.09.2016 eine Laufleistung von 52.887 km aufgewiesen hat. Der Lebensgefährte des Klägers hat insoweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.09.2016 angegeben, mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Termin gefahren zu sein und dafür eine Strecke von 670 km zurückgelegt zu haben, bei der er den später auf den Lichtbildern K 44 (Bl. 542 d.A.) dokumentierten Mehrverbrauch festgestellt haben wollte. Soweit die Beklagte die klägerseits angegebene Laufleistung bestreitet, ist dieses Bestreiten vorliegend unbeachtlich. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verkennt insoweit die ihm im Rahmen des Wertersatzanspruches obliegende Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 218/09, NJW 2010, 2868, 2870 N.X.N.). Dementsprechend hätte es der Beklagten oblegen, substantiiert und ggf. unter entsprechendem Beweisantritt darzulegen, welche „geringere“ Kilometerleistung der streitgegenständliche Wagen denn zurückgelegt hätte. Auf diese unzulängliche Darlegung musste das Gericht auch nicht gemäß § 139 ZPO hinweisen. Denn zu einer richterlichen Aufklärung bestand – wie vorliegend – bei einem nicht nur ergänzungsbedürftigen, sondern bereits substanzlosen Vorbringen kein Anlass (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1982, VII ZR 160/81, NJW 1982, 1708, 1711).

Die Gesamtleistung des streitgegenständlichen VW Tiguan schätzt das Gericht vorliegend gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2008, 1 U 152/07, juris Rn 41; OLG Köln, Urteil vom 20.02.2013, 13 U 162/09, NJW-RR 2013, 1209, 1210; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn 1756f.). Soweit der Kläger eine Laufleistung von 350.000 km angibt, erfolgt dies ohne nähere Darlegung und erkennbar ins Blaue hinein. Bei einem Bruttokaufpreis von 40.254,11 Euro und einer Laufleistung von 52.887 km ergibt sich somit ein Nutzungsvorteil von 8.515,67 Euro.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 T. 1, 280 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab dem 03.02.2016, da der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung unter Fristsetzung bis zum 03.02.2016 aufgefordert hat.

Des Weiteren ist der Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begründet. Die Beklagte befand sich infolge der verweigerten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeuges gemäß §§ 298, 293 BGB in Annahmeverzug. Denn der Kläger hat der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 sein Fahrzeug unter Fristsetzung bis zum 02.02.2016 ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zur Abholung des Fahrzeuges am Wohnsitz des Klägers war das wörtliche Angebot im Sinne des § 295 BGB auch ausreichend. Die Rücknahme des Fahrzeugs hat die Beklagte indes mit Schreiben vom 25.01.2016 abgelehnt.