Krankenversicherung. Beiträge zurück!

  • 23. Januar 2018
  • Thomas Klein

In einem aktuellen Verfahren wurde eine private Krankenversicherung zur Rückzahlung zuviel gezahlter Beiträge verurteilt.

Dies ist das für Sie aufbereitete Urteil....

Krankenversicherung

 

.....[1]A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Erhöhungen der Beiträge zu privaten Krankenversicherungen.

[2]Der Kl. ist bei der Bekl. im Wege einer Krankenversicherung sowie einer Krankentagegeldversicherung versichert.

Durch einseitige Erklärungen erhöhte die Bekl. die Beiträge zu den Versicherungen mit Wirkung zum 1. 1. 2012 bzw. 1. 1. 2013, nachdem der Treuhänder R. K. den Prämienerhöhungen zugestimmt hatte.

Der Kl. zahlte die erhöhten Prämien und begehrt nunmehr deren Rückzahlung im Wesentlichen mit der Begründung, die Erhöhungen seien unwirksam, weil der Treuhänder K. nicht unabhängig im Sinne von § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG gewesen sei. Eine formgerechte Zustimmungserklärung liege nicht vor.

.....Der Treuhänder ist – insoweit unstreitig – von Dezember 1993 bis Dezember 1994 Vorstandsmitglied der W. AG in S. gewesen und habe aus dieser Zeit Ruhestandsbezüge bezogen. Weil – ebenfalls unstreitig – die W. AG jedoch eine 74,9 %ige Tochter der Schweizer W.-Versicherungsgruppe sei, die wiederum zum Konzern der Bekl. gehöre, sei der Treuhänder K. mit der Bekl. bzw. einem ihrer Tochterunternehmen verbunden.

Insgesamt sei somit von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Treuhänders K. von der Bekl. auszugehen. Darüber hinaus hat der Kl. die Erhöhungen für unwirksam gehalten, weil sie nicht ordnungsgemäß entsprechend § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 5 VVG begründet worden seien; eine ausreichende Angabe von Gründen fehlte ebenso wie Angaben zur Person des Treuhänders. Ferner werde der unzutreffende Eindruck erweckt, die Beitragsanpassungen seien durch die Aufsichtsbehörde geprüft. …

Aus den Gründen:


[28] B. Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Nach Ansicht der Kammer hat das AG zutreffend festgestellt, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders K. bei der Zustimmung zu den hier streitgegenständlichen Prämienerhöhungen nicht gewahrt war und deshalb eine § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG entsprechende wirksame Prämienerhöhung durch die Bekl. nicht vorlag.

[29]I. Die Berufung dringt mit ihrem Angriff nicht durch, die Unabhängigkeit des Treuhänders sei nur beschränkt durch die Zivilgerichte überprüfbar, weil dessen Unabhängigkeit durch die Bestellungsbehörde, die BAFin, geprüft werde.

[30]Dem folgt die Kammer nicht. Das Gesetz nennt in § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Prämienanpassung, dass "ein unabhängiger Treuhänder" zugestimmt hat. Weil diese Tatbestandsvoraussetzung sich damit unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und nicht ersichtlich ist, dass die Prüfung der Unabhängigkeit für die Zivilgerichte bindend von dritter Seite erfolgt, sind die Zivilgerichte auch zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals verpflichtet.

[31]Die Lesart der Bekl. , dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal nicht um eine von den Zivilgerichten zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung handelt, widerspricht nach Ansicht der Kammer zudem den Vorgaben des BVerfG. Noch zu der alten Gesetzesfassung hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 28. 12. 1999 (Az. BVERFG Aktenzeichen 1BVR220398 1 BvR 2203/98) deutlich gemacht, dass im zivilgerichtlichen Verfahren unter Hinweis auf die aufsichtsrechtliche Genehmigung oder die eines Treuhänders eine sachliche Überprüfung der Prämienerhöhungen anhand der maßgeblichen privatrechtlichen Normen nicht ausgeschlossen werden darf, weil anderenfalls einseitige Prämienerhöhungen der VersUnternehmen jeglicher wirkungsvollen richterlichen Kontrolle auf Veranlassung und unter Mitwirkung der VN entzogen wären.

[32]Diese auf Veranlassung eines Versicherten den Zivilgerichten obliegende Prüfung, ob die Prämienerhöhungen wirksam sind, wird auch von der Bekl. nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Die Prüfung bezieht sich jedoch nicht nur auf die inhaltliche versicherungsmathematische Berechnung der Prämienerhöhung. Auch die sich aus § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG ergebende formelle Wirksamkeit der treuhänderischen Zustimmungserklärung ist durch die Zivilgerichte zu prüfen. Hiervon geht nicht nur das LG Nürnberg-Fürth in seinem von der Bekl. angeführten Urt. v. 16. 2. 2009 (Az.11 O 4343/04; Anlage B32) aus. Auch dem Urteil des BGH vom 12. 10. 2005 (Az. BGH Aktenzeichen IVZR16203 IV ZR 162/03, r+s 2005, RUNDS Jahr 2005 Seite 519) ist zu entnehmen, dass aufgrund der verfassungsgerichtlichen Vorgaben die Fragen zur Person des Treuhänders einschließlich seiner Unabhängigkeit grundsätzlich der zivilrechtlichen Prüfung unterliegen. Zwar hat der BGH in dieser Entscheidung nicht aufgezeigt, welche Anforderungen an die Unabhängigkeit des Treuhänders zu stellen sind. Jedoch hat er hiervon nicht abgesehen, weil dies nicht der Prüfung der Zivilgerichte unterläge, sondern einzig, weil der Kl. keine auf die Person des Treuhänders bezogene Bedenken erhoben hat.

[33]Trotz der spätestens seit der genannten Entscheidung des BVerfG unzweifelhaft bestehenden Überprüfungspflicht der Zivilgerichte, ob die Prämienerhöhung wirksam ist, hat der Gesetzgeber auch bei der Novelle des VVG die "Unabhängigkeit" des Treuhänders als Tatbestandsmerkmal in § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG und damit als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beitragsanpassung normiert. Ebenso wenig ist vor dem Hintergrund der genannten Entscheidungen des BVerfG und des BGH ersichtlich, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der "Unabhängigkeit" nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich um ein im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zu prüfendes Kriterium handeln könnte. Zwar ergibt sich auch aus § VAG § 12 b Abs. VAG § 12B Absatz 3 bis VAG § 12B Absatz 5 VAG in der damals geltend Fassung, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders Voraussetzung für dessen Bestellung ist und die Aufsichtsbehörde – sofern die Voraussetzungen nicht gegeben sind – die Bestellung eines anderen Treuhänders verlangen kann. Gleichwohl kann diese durch § VAG § 12 b VAG a. F. vorgesehene Prüfung des auch in § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG genannten Tatbestandsmerkmals der "Unabhängigkeit" nicht die zivilrechtliche Prüfungskompetenz ausschließen: Die Überprüfung der aufsichtsrechtlichen Entscheidung, ob die Voraussetzungen nach § VAG § 12 b Abs. VAG § 12B Absatz 3 VAG vorlagen, ist dem Versicherten nicht möglich. Die Ansicht der Bekl., die Überprüfung des für die wirksame Beitragsanpassung vorausgesetzten Tatbestandsmerkmals der treuhänderischen "Unabhängigkeit" ausschließlich im Verfahren nach § VAG § 12 b Abs. VAG § 12B Absatz 3 bis VAG § 12B Absatz 5 VAG vorzunehmen, ohne dass der Versicherte dies angreifen kann, ist mit den aufgezeigten Vorgaben des BVerfG nicht in Einklang zu bringen.

Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, hätte er eine zivilrechtliche Überprüfung der treuhänderischen Unabhängigkeit ausschließen wollen, jedenfalls mit den Novellierungen der gesetzlichen Regelungen des VVG, auch des VAG, die nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderliche Überprüfungsmöglichkeit für den Versicherten anderweitig geregelt hätte.

[34]II. Offen und der Regelung des § VVG § 203 Abs. VVG § 203 Absatz 2 S. 1 VVG nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, welche Anforderungen an die Unabhängigkeit des Treuhänders zu stellen sind. Der BGH hat dies in seiner Entscheidung vom 12. 10. 2005 (Az. BGH Aktenzeichen IVZR16203 IV ZR 162/03 = r+s 2005, RUNDS Jahr 2005 Seite 519) ausdrücklich ebenfalls offen gelassen.

[35]1. Die Kammer folgt der auch vom LG Nürnberg-Fürth (a. a. O.) wie auch vorliegend vom AG Potsdam vertretenen Ansicht, dass mangels einer konkreten Definition der Unabhängigkeit des Treuhänders die Anforderungen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen sind. Damit kommt, wie auch von der Bekl. eingewandt, eine (ausschließliche) entsprechende Anwendung des § HGB § 319 Abs. HGB § 319 Absatz 3 S. 1 Nr. HGB § 319 Absatz 3 Nummer 5 HGB nicht in Betracht. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung erforderlich, ob bei objektiv-generalisierender, verständiger Würdigung das Vertrauen gerechtfertigt ist, der Treuhänder werde die Interessen der Gesamtheit der VN angemessen wahrnehmen (vgl. BGH a. a. O.).

[36]Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung sind die in § HGB § 319 Abs. HGB § 319 Absatz 3 S. 1 Nr. HGB § 319 Absatz 3 Nummer 5 HGB geregelten Anforderungen nach Ansicht der Kammer nicht als einziges Kriterium, sondern als ein Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Der Vorschrift kann als Maßstab entnommen werden, dass bei langjähriger Überschreitung eines 30 %igen Anteils der Einkünfte aus einem immer gleichen Mandat ein Indiz für eine fehlende Unabhängigkeit des Treuhänders gegeben ist. Gleichwohl können Umstände trotz Überschreitens dieser Grenze für seine Unabhängigkeit sprechen, wie gleichsam Umstände gegen die Unabhängigkeit sprechen können, obwohl die Voraussetzungen des § HGB § 319 Abs. HGB § 319 Absatz 3 S. 1 Nr. HGB § 319 Absatz 3 Nummer 5 HGB erfüllt sind.

....[39]2. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Treuhänder K. bei der Zustimmung zu den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen der Bekl. nicht unabhängig war.

[40]Nach Ansicht der Kammer ergibt sich bei der objektiv-generalisierenden, verständigen Gesamtwürdigung die fehlende Unabhängigkeit des Treuhänders K. aus dem Umfang seiner von der Bekl. bezogenen Vergütung, dem Umstand, dass er für die Bekl. über einen Zeitraum von über 15 Jahren tätig war und hierbei alle Prämienanpassungen der Bekl. geprüft hat, aber auch von einem mit der Bekl. verbundenen Unternehmen ein Ruhegehalt bezog. Auch wenn der letztgenannte Gesichtspunkt nach Ansicht der Kammer von untergeordneter Bedeutung ist, trägt er bei der erforderlichen objektiven Betrachtung dazu bei, dass in einer Gesamtschau der VN nicht auf die Unabhängigkeit des Treuhänders K. vertrauen konnte. Hieran ändern auch die von der Bekl. vorgetragenen und von der Kammer berücksichtigten Gesichtspunkte nichts Entscheidendes.

[41]a. Der Treuhänder K. bezog über einen Zeitraum von mehreren Jahren von der Bekl. für seine Tätigkeit als Treuhänder eine Vergütung, die mehr als 30 % seiner Einkünfte ausmachte.

[42]aa. Bereits aufgrund des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wäre davon auszugehen, dass der Treuhänder K. im Umfang von 150.000,00 EUR jährlich einen über der Grenze von 30 % liegenden Anteil seiner Einkünfte von der Bekl. erhielt.

[43]Zwar rügt die Bekl., sie sei nicht verständlich darauf hingewiesen worden, dass das AG von der 30 %-Grenze ausginge. Mit dieser Rüge dringt die Bekl. jedoch nicht durch. (wird ausgeführt)

 
 [45]Damit ist der Berufung zwar zuzugeben, dass das AG nicht deutlich darauf hingewiesen hat, nach welchen Maßstäben es von einer Abhängigkeit des Treuhänders auszugehen gedenkt. Insbes. hat es nicht deutlich gemacht, ob es die 30 %-Grenze des § HGB § 319 HGB in Betracht ziehen möchte und daher der Vortrag der Bekl. erforderlich ist, wie sich das Einkommen des Treuhänders in jedem Jahr darstellte. Gleichwohl ist der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Kl. zur Unabhängigkeit erforderlich ist.

Weil das Erfordernis substantiierten Vortrags nicht Rechtsausführungen betrifft, erwartete das AG also nicht die Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Kl. zur Anwendung des § HGB § 319 HGB. Offensichtlich war mit dem Hinweis gemeint, dass die tatsächlichen Behauptungen des Kl. , aus denen sich die fehlende Unabhängigkeit des Treuhänders ergibt, einer substantiellen Tatsachenerwiderung bedürfen. Auch und nur in diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf das Urteil des AG Hersbruck zu verstehen: Dieses hat die Unabhängigkeit festgestellt; das AG Potsdam hat lediglich darauf verwiesen, dass es durch dessen Beweiswürdigung nicht gebunden ist. Ohne erneute Vernehmung des Zeugen käme eine eigene Feststellung des AG Potsdam nicht in Betracht. Die von der Bekl. gewünschte Lesart, das AG habe eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen in Aussicht gestellt, ergibt sich nicht.

[46]bb. Selbst bei der Annahme eines Verstoßes gegen die Hinweispflicht durch das AG ist der in der Berufung neue Vortrag der Bekl. nicht geeignet, einen so geringen Anteil der Treuhändervergütung des Herrn K. an seinen Einkünften festzustellen, dass dies bei der Beurteilung seiner Unabhängigkeit gegen eine Abhängigkeit sprechen könnte. Durch Vorlage der Rechnungen des Treuhänders K. und dessen Einkommensteuerbescheiden ergibt sich nach Ansicht der Kammer, dass der Treuhänder K. wie vom AG festgestellt, jedoch mit anderen Werten, langjährig von der Bekl. eine Treuhändervergütung bezog, die (teils deutlich) über der Grenze von 30 % seiner Einkünfte lag. (wird ausgeführt)

[49]Damit übersteigt der Anteil der Bekl. an den Einkünften des Treuhänders aus selbständiger Tätigkeit regelmäßig den Anteil von 30 %; lediglich für das Jahr 2009 ergibt sich ein geringerer Anteil. Jedoch kommt es – wie ausgeführt – nicht einzig darauf an, ob entsprechend § HGB § 319 HGB der Treuhänder in einem maßgeblichen Zeitraum von 5 + 1 Jahren jeweils mehr als 30 % seiner Einkünfte von der Bekl. bezog. Vielmehr ist bei der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit nach Ansicht der Kammer maßgeblich, dass in dem von der Bekl. in der Berufung darlegten Zeitraum der Treuhänder K. in 6 von 7 Jahren Vergütungen von der Bekl. erhalten hat, die über 30 % und zum Teil bis 58 % seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ausmachten.

[50]Wegen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt es nicht darauf an, dass sich aufgrund der von den Parteien aufgezeigten unterschiedlichen Betrachtungsmethoden die prozentualen Anteile abweichend errechnen lassen. Die Kammer stellt bei der angeführten Betrachtung im Hinblick auf die Treuhändervergütung darauf ab, in welchem Jahr der Anspruch des Treuhänders gegen die Bekl. entstanden ist; wann die Bekl. an den Treuhänder tatsächlich zahlt, ist im Hinblick auf die Betrachtung bei dem anzustellenden Vergleich nicht von Bedeutung. Gleichwohl verkennt die Kammer nicht, dass durch die vom Rechnungszeitpunkt abweichenden Zahlungszeitpunkte Verschiebungen in der Darstellungen seiner Einkünfte des jeweiligen Steuerjahres eintreten können. Auch wenn deshalb eine andere als die von der Kammer gewählte Betrachtung zu anderen prozentualen Ergebnissen des jeweiligen Jahres führen können, bleibt über die Jahre gesehen der Gesamtanteil der Treuhändervergütung an den Einkünften im Wesentlichen gleich. Nur hierauf kommt es an.

[51]b. Als weiterer Gesichtspunkt, der im Rahmen der Gesamtbetrachtung gegen eine Unabhängigkeit des Treuhänders K. spricht, ist dessen lange Verbundenheit mit der Bekl. infolge der Treuhandaufträge.

[52]Unstreitig war Herr K. von 1996 bis zu seinem Tod im Oktober 2014 für die Bekl. tätig. Schon dieser lange Zeitraum kann nach Ansicht der Kammer bei objektiver und gleichwohl verständiger Betrachtung die Befürchtung begründen, dass sich eine Verbundenheit des Treuhänders mit der Bekl. entwickelt hat, die seiner Unabhängigkeit entgegen stand. Auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt in den Jahren 2011 und 2012 bestand die Zusammenarbeit bereits über 15 Jahre. Selbst wenn man den Vortrag der Bekl. berücksichtigt, dass für 40 Krankenversicherungen nur 14 Treuhänder zur Verfügung stehen, lässt sich nicht begründen, warum zur Wahrung der Unabhängigkeit aus objektiver Sicht der Wechsel des Treuhänders nicht möglich sein sollte. Hierbei verhilft der Bekl. auch der Hinweis nicht weiter, dass der Treuhänder eingearbeitet ist und damit die Entwicklung des jeweiligen Tarifs kennt. Diese offensichtlich praktischen und wirtschaftlichen Erwägungen geschuldete Betrachtung vermag aus der langjährigen treuhänderischen Verbindung entstehende Bedenken gegen die Unabhängigkeit des Treuhänders nicht auszuräumen. Insgesamt gilt auch hierbei jedoch auch zu berücksichtigen, dass die langjährige Verbindung für sich genommen möglicherweise die fehlende Unabhängigkeit noch nicht zu begründen vermag; entscheidend ist jedoch die Gesamtschau.

[53]c. In dieser Gesamtschau der vorgenannten Gesichtspunkte ist die Kammer der Ansicht, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders K. aufgrund seiner über 15 Jahre währenden Tätigkeit für die Bekl., der über eine Vielzahl von Jahren gezahlten erheblichen Vergütung, auch deren Anteil an den Einkünften des Treuhänders, sowie letztlich auch dessen Verbundenheit mit einem mit der Bekl. verbundenen Unternehmen nicht gewahrt war. Auch der von der Bekl. angeführte Gesichtspunkt, es gäbe nur 14 Versicherungsmathematiker für die bei 40 Krankenversicherungen zu prüfenden Tarife, ist von der Kammer im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt, führt aber nicht dazu, die aufgezeigten und gegen die Unabhängigkeit sprechenden Gesichtspunkte zu entkräften.

[54]III. Infolge der fehlenden wirksamen Zustimmung des Treuhänders stehen dem Kl. die geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu, deren Höhe die Bekl. nicht angreift.

[55]Diese Ansprüche des Kl. sind auch durchsetzbar. Ihnen steht weder die Einrede der Verjährung noch eine Verwirkung entgegen.

[56]1. Die Bekl. hält den Anspruch für verjährt. Es sei auf die Kenntnis der Tatsachen abzustellen, nicht, wie das AG meint, auf die rechtlich zutreffende Beurteilung. Diese Rüge greift nicht.

[57]Es geht um die Prämienerhöhungen aus den Jahren 2011 und 2012, die der Kl. zunächst unbeanstandet an die Bekl. gezahlt hatte. Er stellt darauf ab, dass ihm erst aufgrund einer anwaltlichen Beratung im Jahre 2015 klar geworden sei, dass die Anpassung unrechtmäßig gewesen seien.

[58]Gemäß § BGB § 199 Abs. BGB § 199 Absatz 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wie dem vorliegenden verfügt er über die erforderliche Kenntnis, wenn er die Leistung und die Tatsachen kennt, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Palandt-Ellenberger BGB 76. Aufl. § 199 Rn. 27).

Im hier zu entscheidenden Fall ist damit die Kenntnis von der Tatsache erforderlich, dass die Zustimmung des Treuhänders zu den streitigen Prämienerhöhungen aufgrund dessen fehlender Unabhängigkeit unwirksam ist. Darlegungs- und beweisbelastet für den Beginn der Verjährung und damit auch für die Kenntnis dieser Tatsache ist die Bekl..

Sie beruft sich jedoch lediglich auf die Kenntnis von den Erhöhungen durch ihre Schreiben aus November 2011 und 2012. Trotz der Behauptung des Kl. , dass ihm erst im Jahre 2015 aufgrund Beratungen durch seinen Rechtsanwalt die Unrechtmäßigkeit der Erhöhungen klar geworden sein soll, hat die Bekl. auch in der Berufung nicht vorgetragen, wann der Kl. von diesem Mangel der ordnungsgemäßen Zustimmung Kenntnis erhalten haben soll. Dass der Kl. bereits vor dem 1. 1. 2013 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis über die hier streitigen Umstände hatte, trägt die Bekl. nicht vor. Einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Kl. vor diesem Zeitpunkt steht zudem entgegen, dass die Bekl. in den Schreiben zu den Prämienanpassungen den Namen des Treuhänders nicht mitgeteilt und somit Erkundigungen über dessen Unabhängigkeit nicht ermöglicht hat; vielmehr hat die Bekl. den Namen des Treuhänders unstreitig erst mit Schreiben vom 10. 2. 2016 bekannt gegeben.

 

....[60]2. Die Bekl. hält den klägerischen Anspruch für verwirkt. Sie verweist insoweit auf die Rspr. des BGH zu den Energielieferungsverträgen. Danach (BGH NJW 2014, NJW Jahr 2014 Seite 3639 und NJW 2015, NJW Jahr 2015 Seite 2566) bestehe bei diesen Dauerschuldverhältnissen das Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Dem laufe es zuwider, wenn die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung auch noch drei Jahre nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung geltend gemacht werden könne. Diese Ansicht des BGH sei auf die Dauerschuldverhältnisse bei einer privaten Krankenversicherung zu übertragen.

[61]Dem folgt die Kammer nicht. Die besondere Situation der Energielieferungsverträge lässt sich weder auf die Fälle der Versicherungsverträge wie hier noch allgemein auf Dauerschuldverhältnisse übertragen: Anders als bei den Energielieferungsverträgen erfolgt bei den Versicherungsverträgen der Krankenversicherung nicht ein ständiger vollwertiger Austausch von Leistungen, dessen Verhältnis im Gleichgewicht zu halten ist. Hier hat der VR im Gegenzug zur Versicherungsprämie neben der Abdeckung des Risikos als zentralen Leistungsbestandteil die Kosten des Versicherungsfalls zu übernehmen. Die Versicherungsbeiträge richten sich nach dem Versicherungsumfang und sind somit – anders als bei den Energielieferungsverträgen – unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der VN in dem jeweiligen Versicherungsjahr Leistungen der Versicherung in Anspruch nimmt.

[62]Im Übrigen entspringt die Verwirkung dem Grundsatz von Treu und Glauben als eine illoyale verspätete Rechtsausübung (BGH NJW-RR 2014, NJW-RR Jahr 2014 Seite 195). Eine Verwirkung kommt wegen des Fehlens des "Umstandsmomentes" nicht in Betracht, wenn der Schuldner seinerseits sich unredlich verhalten hat (BGH VersR 1996, VERSR Jahr 1996 Seite 316). Ob hiervon bereits auszugehen ist, weil die Bekl. einen nicht unabhängigen Treuhänder zu der Zustimmung herangezogen hat, kann offen bleiben. Jedenfalls kommt eine Verwirkung bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wegen der Schutzwirkung des § BGB § 818 Abs. BGB § 818 Absatz 3 BGB von vornherein nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. Palandt-Grüneberg BGB 76. Aufl. § 242 Rn. 97 mwN). Weil nicht ersichtlich ist, dass die Bekl. sich derart auf das Bestehen des Versicherungsvertrages auf Grundlage der erhöhten Prämie eingestellt hat, dass ihr eine Rückzahlung nicht zumutbar ist, liegt ein Ausnahmefall für die Annahme einer Verwirkung nicht vor.

[63]IV. Nach alledem hat die Berufung der beklagten Versicherung keinen Erfolg.

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