Elternunterhalt und Immobilien

  • 04. März 2018
  • Thomas Klein

Ein Elternteil kommt ins Pflegeheim. Was ist dann mit Immobilienvermögen?

Elternunterhalt und Immobilienvermögen

Im Rahmen unserer regelmäßigen Vortragsveranstaltungen zum Elternunterhalt -unsere nächsten finden am 21.4.18 in München, am 8.5.18 in Jülich und am 22.6.18 in Berlin statt- taucht immer wieder eine Fragestellung auf.

Was geschieht mit gemeinsamen Immobilienvermögen von Eltern, wenn ei Eltenteil ins Pflegeheim muss und der andere im Haus/Eigentumswohnung wohnen bleibt?

Was ist dann mit Sozialhilfeleistungen?

Ein Überblick:

Das Sozialhilferecht wird vom Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII beherrscht.

§ 19 SGB XII definiert die zentralen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Nach § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter an diejenigen Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

Aber was isVermögen?


Zum Einkommen gehören gemäß § 43 Abs. 1, § 82 Abs. 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

Nach § 43 Abs. 1, § 90 Abs. 1 SGB XII ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, um einen sozialhilferechtlich relevanten Bedarf zu decken, bevor Sozialhilfeleistungen zu erbringen sind.

Die Beschränkung in § 90 Abs. 1 SGB XII auf „verwertbares Vermögen“ hat dabei lediglich klarstellende Bedeutung. Denn nicht verwertbares Vermögen (was im wirtschaftlichen Sinn zu verstehen ist) kann bereits rein tatsächlich nicht zur Deckung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs beitragen.

Die Frage, was Vermögen ist, wird weder in § 90 SGB XII noch an anderer Stelle im SGB XII beantwortet; der Begriff des Vermögens wird vielmehr vorausgesetzt.

Zum Vermögen i. S. v. § 90 Abs. 1 SGB XII gehören alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert. Zum Vermögen  gehört deshalb auch ein Miteigentumsanteil an einer gemeinsamen Eigentumswohnung oder einem gemeinsamen Haus, auch wenn ein Elternteil darin noch wohnt. Insoweit handelt es sich grundsätzlich um verwertbares Vermögen i. S. d. § 90 Abs. 1 SGB XII.

Aber:


§ 90 Abs. 2 und 3 SGB XII enthalten allerdings Ausnahmen zum umfassenden „Einsatzbefehl“ des § 90 Abs. 1 SGB XII.

Dazu stellt § 90 Abs. 2 SGB XII bestimmte Vermögensgegenstände von der Einsatzverpflichtung frei, sodass sie bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs außer Betracht bleiben. § 90 Abs. 3 SGB XII ergänzt § 90 Abs. 2 SGB XII um eine Härtevorschrift.

 

§ 90 Abs. 2 SGB XII enthält insgesamt neun Gruppen von Vermögensgegenständen.

Diese sind entgegen dem Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII nicht vor der Gewährung der Sozialhilfe einzusetzen.

Nach dem hier allein interessierenden § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das u. a. von der nachfragenden Person alleine oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird.

 § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII schützt nicht die Immobilie als Vermögensanlage, sondern allein das Grundbedürfnisses „Wohnen“ und damit den räumlichen Lebensmittelpunkt des verbleibenden Elternteils.

Zum Schonvermögen gehört deshalb nur ein „angemessenes“ Eigenheim.

Die Angemessenheit wird durch § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 SGB näher umschrieben. Sie bestimmt sich vor allem nach der Zahl der Bewohner und der Größe, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes (sog. Kombinationstheorie). Das wichtigste objektivierbare Kriterium für die Angemessenheit eines selbstgenutzten Hausgrundstücks oder einer entsprechenden Eigentumswohnung stellt dabei die Größe, also die Wohnfläche, dar.

Aber welche Wohnfläche ist angemessen?

Die Angemessenheit der Größe von Familienheimen und Eigentumswohnungen wurde bis zum 31.12.01 aufgrund der bis dahin in § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG enthaltenen ausdrücklichen Verweisung nach dem II. WobauG bestimmt.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist es jedoch sachgerecht, sich zur Wahrung eines bundeseinheitlichen Maßstabs für die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße weiterhin an den Werten des für den öffentlich geförderten Wohnungsbau geltenden – außer Kraft getretenen – § 39 II. WobauG und der darin vorgesehenen Wohnflächenobergrenzen zu orientieren. Daneben ist – entsprechend den Vorgaben des § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 SGB XII – nach der Anzahl der Bewohner zu differenzieren.

 

Hiervon ausgehend gelten Familienheime mit einer Wohnfläche von 130 qm und Eigentumswohnungen mit bis zu 120 qm für einen Vier-Personen-Haushalt nicht als unangemessen groß. Für jede weitere Person im Haushalt sind weitere 20 qm hinzuzurechnen. Bei einer geringeren Anzahl an Bewohnern (als vier) ist ein Abschlag von je 20 qm pro Person bis zu einer Belegung des Hauses/der Eigentumswohnung mit zwei Personen vorzunehmen.

Das bedeutet, dass bei einer Belegung einer Eigentumswohnung/Haus mit bis zu zwei Personen die angemessene Wohnflächengröße typisierend auf (120 qm ./. 2 × 20 qm =) 80 qm festzusetzen ist. Eine weitere Reduzierung um 20 qm bei einer Wohnungsnutzung durch eine Person allein kommt nach der Rechtsprechung des BSG im Regelfall (vor allem aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität) nicht in Betracht.

Wichtig zu wissen:

Die genannte Wohnflächengröße kann nicht als quasi normative (feststehende) Größe zugrunde gelegt werden. Die vom BSG angenommenen Werte orientieren sich am „Durchschnittsfall“ und können beim Vorliegen besonderer Umstände eine Korrektur „nach oben“ erforderlich machen, ggf. aber auch eine Anpassung „nach unten“. Die Frage der Angemessenheit ist grundsätzlich nach Maßgabe und unter Würdigung aller in § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 SGB XII bezeichneten personen-, sach- und wertbezogenen Kriterien im Einzelfall zu beurteilen.


Nach den vom BSG zu § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII aufgestellten Grundsätzen ist bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen/Haus  regelmäßig auch bei nur einer Person eine Wohnfläche von 80 m2 als angemessen anzusehen.

Das Elternteil kann also dann wohnen bleiben.

 

Sind Sie betroffen? Dann wenden Sie sich an uns!