Erbschaftssteuer bei Familienwohnhaus?

  • 05. April 2018
  • Thomas Klein

Ein häufiges Problem in der Praxis: Nach dem Tod eines Ehegatten erbt der andere auch das Familienwohnhaus. Müssen dann Steuern gezahlt werden? Ein Überblick...

Erbschaftssteuer beim Familienwohnheim

Ein in der Praxis häufig anzutreffende Situation.

Ein Ehepartner stirbt, der überlebende Ehegatte wird Erbe.

Die Eheleute wohnten bis zum Tod des versterbenden Ehegatten in einem Haus, das Ihnen gehörte.

Muss der überlebende Ehegatte nunmehr Erbschaftssteuer zahlen?

Grundsätzlich gilt:


Ein nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerbefreiter Erwerb von Todes wegen liegt vor bei (R E 13.3. Abs. 4 ErbStR 2011):

-Erwerben des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten oder
-Hinzuerwerb von begünstigtem Vermögen, also von Anteilen am Familienheim, im Rahmen der Teilung des Nachlasses durch einen Miterben nach §13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 3 ErbStG.

Was sind die sonstigen Voraussetzungen?

1.

Der Erblasser muss die Wohnung bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Etwas anders gilt, wenn der Erblasser aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, was bei Pflegebedürftigkeit des Erblassers der Fall sein kann .

Zweifelhaft ist allerdings, ob eine berufliche Versetzung oder ein Wechsel des Arbeitgebers durch den Erblasser eine Nutzung zu Wohnzwecken begründen kann, obwohl der Erblasser die entsprechende Immobilie gerade nicht nutzt.  Die Finanzverwaltung verneint in R E 13.4 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011 für diesen Fall die Steuerbefreiung. Für diese Auffassung spricht grundsätzlich, dass die Anerkennung beruflicher Gründe zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung der Steuerbefreiung führen würde. Ein Erblasser könnte ansonsten jeden beruflich veranlassten Umzug zur Begründung eines weiteren steuerbegünstigten Familienheims nutzen. Die zwingenden Gründe, die den Erblasser an der Nutzung der Wohnung hindern, sind daher eng auszulegen.

Sowohl das FG Köln als auch das FG München haben in Fällen, in denen der Erblasser zwar die nachweisbare Absicht hatte, eine bestimmte Immobilie zu erwerben und dort selbst einzuziehen, letztlich aber durch eine schwere Erkrankung daran gehindert war, seine Pläne zu realisieren, die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG versagt (FG Köln, Urteil v. 27.1.2016 - 7 K 24/15 ; FG München, Urteil v. 24.2.2016 - 4 K 2885/14. Es sei zwar unschädlich- so die Gerichte-  wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert sei, insbesondere im Fall seiner Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Diese setze aber voraus, dass der Erblasser in der Vorzeit zu irgendeinem Zeitpunkt die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.


2.


Eine Wohnung kann nur dann als Familienheim eingestuft werden, wenn sie beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Das erfordert die Absicht des Erwerbers, sie tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und die tatsächliche Umsetzung dieser Absicht. Der Erwerber muss in die Wohnung bzw. das Haus einziehen und es als Familienheim zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken muss unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen.

Der Erwerber muss daher nach einer angemessen Überlegungsfrist – die von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist – die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und mit deren Umsetzung beginnen. Angemessen ist dabei nach der aktuellen Rechtsprechung regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Besondere Umstände können im Einzelfall ein längeres Zögern rechtfertigen. Nach einem Jahr dürfte eine Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ausgeschlossen sein.

Zweifelhaft ist, ob die Steuerbefreiung nach § 13b Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG insbesondere bei einem nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 4 und Nr. 4c Satz 4 ErbStG begünstigten Hinzuerwerb voraussetzt, dass eine Erbauseinandersetzung zeitnah, d. h. innerhalb von sechs Monaten, erfolgt. Die Finanzverwaltung verlangt eine zeitnahe Erbauseinandersetzung (H E 13.4 „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH 2011). Der Wortlaut der Steuerbefreiungen stellt allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung ab. Bei der Bestimmung zu eigenen Wohnzwecken handelt es sich um eine innere Tatsache, die nur aufgrund objektiver äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Daher müssen Umstände vorliegen, die auf eine Eigennutzungsabsicht abzielen. Generell muss dem Erwerber bei einem Erwerb von Todes wegen im Hinblick auf die Weiternutzung der Immobilie ein ausreichender Zeitraum für die Entscheidung zugestanden werden. Maßgeblich sind letztendlich die Umstände des Einzelfalls (BFH, Urteil v. 23.6.2015 - II R 39/13, BStBl 2016 II S. 225).

Fraglich ist, ob eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c ErbStG in Betracht kommt, wenn der Erwerber von vornherein daran gehindert ist, eine Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke aufzunehmen. Dies kann der Fall sein, wenn der Erwerber seine berufliche Tätigkeit an einem weit entfernten Ort ausübt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist es im Übrigen grundsätzlich unschädlich, wenn ein Erwerber aus objektiv zwingenden Gründen an der Selbstnutzung seiner Immobilie gehindert ist (R E 13.4 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 7 Satz 4 Halbsatz 2 ErbStR 2011). Als objektiv zwingende Gründe S. 92werden die Pflegebedürftigkeit, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt, und die Minderjährigkeit des Erblassers anerkannt (R E 13.4 Abs. 7 Satz 5 ErbStR 2011).  Das FG München hat darüber hinaus entschieden, dass die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Hauses, das vom Erwerber abgerissen wurde, grundsätzlich nicht gewährt werden kann (FG München, Urteil v. 22.10.2014 - 4 K 847/13.

3.

Nachversteuerungsvorbehalt


Für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG muss der erwerbende Ehegatte grundsätzlich zehn Jahre nach dem Erwerb des Familienheims dieses zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

Eine Ausnahme besteht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG nur, wenn und solange der überlebende Ehegatte aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist. Es ist daher schädlich, wenn der überlebende Ehegatte innerhalb des Zehnjahreszeitraums das Objekt verkauft, vermietet, länger leerstehen lässt oder ganz oder teilweise unentgeltlich anderen Personen überlässt (R E 13.4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2011). Auch eine Weiterübertragung des Familienheims innerhalb des Zehnjahreszeitraums – etwa an die eigenen Kinder – unter Nutzungsvorbehalt ist steuerschädlich (R E 13.4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2011).

Nicht steuerschädlich ist hingegen eine unentgeltliche Weitergabe, wenn eine Eigennutzung fortgeführt wird, wie bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt.


Etwas anderes gilt nur, wenn der Ehegatte an einer Selbstnutzung gehindert ist.

Verstößt der Erbe gegen die zehnjährige Selbstnutzungsfrist bzw. ist es ihm nicht möglich, die zehnjährige Selbstnutzung aufrecht zu erhalten und entfällt daher die Befreiung, ist er verpflichtet, den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen dem Finanzamt mitzuteilen.

Verstößt er dagegen, kann der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO realisieren. Der Ehegatte sollte daher dem Finanzamt jede Änderung der Verhältnisse innerhalb des Zehnjahreszeitraums anzeigen, die problematisch sein könnte. Entfällt die Befreiungsvoraussetzung der zehnjährigen Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer, kommt es also zur Nachversteuerung, ergeht der entsprechende Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Befreiung entfällt in vollem Umfang. Die Verzinsung der Steuernachforderung beginnt nach § 233a Abs. 2a AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das wirkende Ereignis eingetreten ist, also z. B. der Auszug aus der Wohnung stattgefunden hat.