Nachbarschaftsstreit Überbau

  • 05. April 2018
  • Thomas Klein

Der Nachbar hat überbaut. Und nun?

Überbau des Nachbarn

In der Praxis häufig ein Problem:

Der Nachbar hat die Grundstückgrenzen nicht akzeptiert und überbaut. Was sind dann eigentlich die Konsequenzen?

 

Grundsätzlich gilt:

Prinzipiell muss der Eigentümer eines Grundstücks die Verletzung seines Eigentums durch andere nicht dulden. Die rigorose Anwendung dieses Grundsatzes kann im Einzelfall zu nicht erwünschten wirtschaftlichen Folgen führen, beispielsweise zur Verpflichtung, eine geringfügig über die Grundstücksgrenze gebaute Hauswand wieder abzureißen. Zur Vermeidung solcher wirtschaftlich unverhältnismäßiger Härten hat der Gesetzgeber in §§ 912 ff. BGB Regeln geschaffen, die im Falle des Überbaus zu einem gerechten Interessenausgleich zwischen den Eigentümern führen sollen.

 

Wann besteht ausnahmsweise eine Duldungspflicht?


So statuiert § 912 BGB eine Duldungspflicht des durch den Überbau in seinen Eigentumsrechten verletzten Eigentümers für den Fall, dass der Grundstücksnachbar bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze baut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Grundstückseigentümer nicht sofort Widerspruch erhoben hat.


Seinem Wortlaut nach betrifft das Gesetz die Fälle, in denen beim Hausneubau eine Abschlusswand über die Grenze unter Mitnutzung des Nachbargrundstücks errichtet wird. Hiernach wäre  die Vorschrift bei einer Grenzverletzung durch einen späteren Anbau nicht einschlägig. Nach der Rechtsprechung des BGH enthält § 912 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken des nachbarrechtlichen Interessenausgleichs (BGH, Urteil v 19.09.2008, VZR 152/07).

Daher wendet die Rechtsprechung die Vorschrift analog dann an, wenn bei nachträglicher Veränderung eines Gebäudes über die Grenze gebaut wird, z. B. der Anbringung eines neuen Daches oder einer Wärmedämmung (OLG Köln, Urteil v 15.11. 2002, 19 U 75/02). Dies gilt allerdings nicht für leicht abtrennbare Gebäudeteile wie Markisen, Balkone, Fensterläden.


Fahrlässiges Handeln ist bereits dann gegeben, wenn der Grundstückseigentümer unmittelbar in Grenznähe baut und sich nicht fachkundig (z. B. durch Einschaltung eines Vermessungsingenieurs) davon überzeugt, dass eine Grenzverletzungausgeschlossen ist (BGH, Urteil v 19.09.2003, Az. VZR 360/02).

Gilt dies für alle Überbauten?

Die Vorschrift gilt nur für Gebäude. Zäune, Mauern oder ein seitlich offener Carport erfüllen die Gebäudeeigenschaft nicht. Die Duldungspflicht gilt nur gegenüber dem Eigentümer, nicht gegenüber dem Mieter oder Pächter eines Grundstücks. Zu beachten sind auch Sondervorschriften in einzelnen Bundesländern.

Wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks unmittelbar bei Beginn der Baumaßnahme Widerspruch erhebt, muss er die Grenzverletzung nicht dulden. Die Erhebung des Widerspruchs muss hierbei so zeitig erfolgen, dass keine umfangreichen baulichen Maßnahmen erforderlich sind, um die begonnene Maßnahme rückgängig zu machen.

Was sind mögliche Rechtsfolgen?


Der Überbauer hat an den Berechtigten eine angemessene Geldrente jährlich im Voraus zu entrichten, § 913 BGB. Außerdem kann der Rentenberechtigte jederzeit verlangen, dass der Überbauer ihm den überbauten Grundstücksteil abkauft, § 915 BGB.