Eigenbedarfskündigung

  • 13. Mai 2018
  • Thomas Klein

In der Praxis nicht selten vorzutreffen: Die Eigenbedarfskündigung. Das sollten Sie wissen...

Eigenbedarfskündigung

Bei einer Eigenbedarfskündigung muss sich der Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse berufen. Die Frage ist, inwieweit ein berechtigtes Interesse auch darin liegen kann, dass der Vermieter die Wohnung zumindest teilweise auch für berufliche Zwecke nutzen möchte.

Was ist ein berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ?


Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt nur in Betracht, wenn er das Mietobjekt zum Wohnen benutzen möchte und darüber hinaus allenfalls eine untergeordnete geschäftliche Mitnutzung erfolgt (BGH NJW 17, 2018).

Eine untergeordnete geschäftliche Mitnutzung liegt etwa vor, wenn der Vermieter nach dem Einzug dort einen Raum für sein Homeoffice bzw. als Arbeitszimmer nutzt. Bei einer intensiveren beruflichen Nutzung scheidet eine Kündigung unter Berufung auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB aus.

Gibt es ein Berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB ?


Inwieweit der Vermieter die Kündigung auf ein berechtigtes Interesse im i. S. v. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB stützen kann, muss nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden.

Auch der Mieter kann sich auf das Eigentumsrecht des Art. 14 GG berufen, weil hierzu ebenfalls der Besitz gehört. Dabei finden allerdings die besonderen Belange des Mieters keine Berücksichtigung, weil sie im Rahmen des § 574 BGB Beachtung finden. Im Rahmen dieser Abwägung unterscheidet der BGH (NJW 17, 2018) vor allem danach, in welchem Ausmaß eine berufliche Nutzung der Wohnung vorgesehen ist.

 

a) Nutzen zum Wohnen und für berufliche Zwecke


Wenn der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung zum Wohnen und über eine untergeordnete geschäftliche Nutzung hinaus beruflich nutzen möchte, besteht eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das gilt auch, wenn die Wohnung überwiegend beruflich genutzt werden soll.

Von einer derartigen beruflichen Nutzung ist etwa auszugehen, wenn z. B. der Vermieter in einem Raum seiner Mietwohnung eine Wohnzimmerpraxis oder Wohnzimmerkanzlei einrichten möchte.

In diesem Fall kann sich der Vermieter auf ein berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn ihm bei dem verwehrten Bezug der Wohnung ein „beachtenswerter Nachteil“ entsteht. Hieran sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es reichen nachvollziehbar dargelegte Gründe des Vermieters aus.

 

b) Nutzung ausschließlich zu beruflichen Zwecken


Anders sieht die Situation aus, wenn der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung ausschließlich zu beruflichen Zwecken nutzen möchte. Davon ist etwa auszugehen, wenn er die gesamte Wohnung als Werkstatt, Lager oder Kanzlei nutzen möchte. Eine Nutzung zum Wohnen ist überhaupt nicht vorgesehen.

Hier sind die Anforderungen an ein berechtigtes Interesse des Vermieters ähnlich hoch wie bei einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Das bedeutet, dass der Fortbestand des Mietverhältnisses für den Vermieter mit einem „Nachteil von einigem Gewicht“ verbunden sein muss. Dieser muss nicht zwangsläufig die Intensität von erheblichen Beeinträchtigungen i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erreichen.

Von einem Nachteil von einigem Gewicht ist einmal auszugehen, wenn er die Tätigkeit ansonsten nicht rentabel durchführen kann. Dies kann sich daraus ergeben, dass der Vermieter beim Anmieten von anderen Räumlichkeiten eine hohe Gewerberaummiete zahlen muss

Eine mangelnde Rentabilität kann sich auch daraus ergeben, dass der Vermieter sonst größere Aufwendungen z. B. aufwendige Umbauarbeiten hätte. So, wenn der Vermieter zwar über eine weitere Räumlichkeit verfügt, diese aber erst kernsaniert werden müsste, damit er sie beruflich nutzen kann.
 Ein Nachteil kann sich auch daraus ergeben, dass die konkrete Lebensgestaltung des Vermieters die gewerbliche Nutzung der Mietwohnung erfordert.

 Der Vermieter ist aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung auf die Nähe zu seiner Wohnung angewiesen. Z. B., der Vermieter kann sich wegen einer schweren Muskelerkrankung alleine nur bis zur gegenüberliegenden Wohnung fortbewegen.. Gleichwohl möchte er seine Tätigkeit am PC nicht in der eigenen Wohnung ausüben, weil diese mit Publikumsverkehr verbunden ist. Er benötigt daher die Wohnung seines Nachbarn.

Dem Vermieter steht aus sonstigen Gründen nur ein enges Zeitfenster für seine berufliche Tätigkeit zur Verfügung.
  

c) Konkretisierung durch BGH


Was unter einem Nachteil von einigem Gewicht zu verstehen ist, hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 29.3.17 (NJW 17, 2018) näher konkretisiert. Vorliegend hatte der Vermieter die Kündigung eines Mieters damit begründet, dass er die Zweizimmerwohnung für das Lagern von Akten aus seinem Beratungsunternehmen benötigt. Von daher würde er in ihr einen weiteren Arbeitsplatz nebst Archiv einrichten.

Der BGH stellte klar, dass er hierin kein berechtigtes Interesse i. S. d. Generalklausel von § 573 Abs. 1 S. 1 BGB sieht. Er begründet dies damit, dass aufgrund der ausschließlich betrieblichen Nutzung ein Nachteil von einigem Gewicht vorliegen muss. Dieser sei hier jedoch nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Hierzu reiche nicht aus, dass lediglich größere Teile eines Aktenbestands ausgelagert werden müssen, um Platz zu schaffen.

Diese gleichen Grundsätze gelten laut BGH (10.5.17, VIII ZR 292/15, NJW-RR 17, 976), wenn es um die Durchführung eines sozialen Projekts – wie die Schaffung von Wohnheimplätzen für soziale Wohngruppen – geht.

d) Entscheidung des LG Stuttgart


In einem weiteren Fall hatte eine Religionsgemeinschaft als Vermieter einem Mieter gekündigt, um sie einem Priester als private Wohnung zur Verfügung zu stellen. Das LG Stuttgart sah hierin kein berechtigtes Interesse gem. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB (21.9.17, 5 S 44/17, WuM 18, 97). Für die Geltendmachung eines Betriebsbedarfs reiche nicht aus, dass ein Mitarbeiter nach einem langen Arbeitstag einen kurzen Heimweg hat. Denn hierdurch werde der Vereinszweck nicht berührt. Diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Aufgrund dessen muss gerade eine Kündigung ausschließlich wegen Betriebsbedarf vom Vermieter sorgfältig begründet werden. Insbesondere an die Darlegung des erheblichen Nachteils werden hier vom BGH strenge Anforderungen gestellt. Es muss hinreichend deutlich werden, dass dem Betrieb gewichtige finanziellen Einbußen drohen, wenn die Wohnung nicht genutzt werden kann. Bloße Unannehmlichkeiten, die etwa durch die mangelnde Lagerungsmöglichkeit in der Nähe entstehen, reichen nicht aus.