Umgangsrecht/Sorgerecht von Großeltern

  • 12. Juli 2018
  • Thomas Klein

In der Praxis häufen sich die Fälle, in denen Großeltern die Erziehung der Enkel übernehmen wollen oder sogar das Sorgerecht haben wollen. Geht das?

Umgangsrecht/Sorgerecht von Großeltern

Großeltern begehren zunehmend Einflussmöglichkeiten auf ihre Enkelkinder, ohne dabei auf das Wohlwollen der Eltern angewiesen zu sein. Geht das so einfach?

 

Ein Überblick:

1. Sorgerecht


Im Hinblick auf das Sorgerecht gilt:

 

a) Materielles Sorgerecht


Sorgeberechtigt sind in erster Linie die Eltern. Fällt ein Elternteil durch Tod oder Sorgerechtsentzug aus, übt der andere das Sorgerecht allein aus, § 1680 BGB. Erst wenn beide Teile ausfallen, kommen Dritte und damit auch die Großeltern als Vormund oder als Ergänzungspfleger in Betracht. Die Auswahl erfolgt gem. § 1779 Abs. 2 BGB durch das Familiengericht. Dabei beachtet es (in dieser Reihenfolge)

-den mutmaßlichen Willen der Eltern,
-die persönlichen Bindungen des Kindes,
-die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Kind sowie
dessen religiöses Bekenntnis.
 

Eltern können dabei Wünsche hinsichtlich der Auswahl äußern, aber nicht den Vormund/Ergänzungspfleger bestimmen. Die Auswahl erfolgt in zwei Stufen:

 

Das Gericht ermittelt, wer als Vormund/Ergänzungspfleger geeignet ist und
wählt diesen nach freiem Ermessen anhand des § 1779 Abs. 2 S. 2 BGB aus.
 Wurde den Eltern das Sorgerecht entzogen, haben Großeltern ein eigenes Recht (Art. 6 Abs. 1 GG), bei der Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden. Sie sind vorrangig gegenüber Nicht-Verwandten.

Dritte sind auszuwählen, wenn dies dem Kindeswohl besser dient, z. B. wegen der besonderen pädagogischen Anforderungen des Kindes (OLG Hamm 9.3.15, 8 UF 156/14). Allein die familiäre Verbundenheit und die Nähe zu den Eltern spricht nicht gegen ihre Eignung (BVerfG 27.8.14, 1 BvR 1467/14).

 

Praktisch zögern Jugendämter häufig, Großeltern zum Vormund/Ergänzungspfleger zu bestimmen, da diese langfristig zu alt seien, um den Bedürfnissen des Kindes gerecht werden zu können. Teilweise wird den Großeltern vorgeworfen, dass sie sich nicht genug von den Eltern trotz deren Defizite abgrenzen und jenen trotz bestehender Kindeswohlgefährdung weiterhin ungeregelten Zugang zum Kind gewähren. Anderen Großeltern wird vorgeworfen, dass sie im Konflikt mit den Eltern stehen, was das Kindeswohl beeinträchtigt.

 

b) Verfahrensbefugnisse von Großeltern


Verfahrensrechtlich ist Folgendes zu beachten:

 

aa) als Großeltern


Großeltern sind anzuhören, wenn sie als Vormund oder als Ergänzungspfleger in Betracht kommen. Dennoch sind sie keine Verfahrensbeteiligten gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (OLG Bremen 27.1.16, 4 WF 162/15).

Dies bedeutet:

Sie können keine eigenen Anträge stellen und sind auch nicht beschwerdeberechtigt (BGH 26.6.13, XII ZB 31/13). Wurde die Auswahl des Vormunds durch einen Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2a, § 14 RPflG) getroffen, können die Großeltern gegen dessen Entscheidung Erinnerung einlegen, sodass dieser ihr entweder abhelfen oder die Erinnerung dem Richter vorlegen muss (BGH, a.a.O.).


 bb) über die Eltern


Eltern sind beim Sorgerechtsentzug (§§ 1666, 1666a BGB) beschwerdeberechtigt. Sie haben (i. S. d. Großeltern) verschiedene Möglichkeiten:

Die Eltern können mit der Beschwerde vortragen, dass sie eine drohende Kindeswohlgefährdung abwenden wollen, indem sie den Lebensmittelpunkt künftig im Haushalt der Großeltern bestimmen. Im Beschwerdeverfahren wird überprüft, ob dies tatsächlich der Fall ist.
 

Die Eltern können sich auch ausschließlich gegen die Auswahl des Vormunds/Ergänzungspflegers wenden. Dies bedeutet, sie können mit der Beschwerde (ggf. hilfsweise) das Ziel verfolgen, dass statt eines Amtsvormunds/-ergänzungspflegers die Großeltern bestimmt werden:
 

 
Beide Varianten setzen ein Vertrauensverhältnis und eine Kooperation zwischen Eltern und Großeltern voraus. Es bietet sich ggf. eine Zusammenarbeit der Verfahrensbevollmächtigten der Eltern und der Großeltern an.
 

cc) als (ehemaliger) Vormund


Ein eigenes Beschwerderecht der Großeltern besteht, wenn sie zum Vormund bestellt waren und abgesetzt wurden. Mit der Beschwerde können sie ihre Wiedereinsetzung als Vormund erstreben, aber nicht die Bestellung eines Dritten zum Vormund anstreben (OLG Hamburg 3.3.14, 7 UF 150/13).

 

dd) als Pflegefamilie


In ihrer Funktion als Pflegefamilie können Großeltern gem. § 26 FamFG im Rahmen der Amtsaufklärung ihre Anhörung verlangen und bei einem Pflegeverhältnis für längere Dauer gem. § 161 Abs. 1 S. 1 FamFG am Verfahren formal beteiligt werden. Gleichwohl sind sie hinsichtlich der Auswahl des Vormunds/Ergänzungspflegers grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt. Ausnahmsweise kann der Pflegefamilie ein eigenes Beschwerderecht zuzubilligen sein, wenn der Minderjährige rechtlich keine Möglichkeit hatte, selbst Beschwerde einzulegen (z. B. weil ihm weder ein Verfahrensbeistand noch ein Ergänzungspfleger bestellt wurde; OLG Karlsruhe 26.6.13, 18 UF 296/11). Gegen die Herausnahme aus ihrer Familie und der Ablehnung einer Verbleibensanordnung haben Großeltern als Pflegefamilie für längere Dauer ein eigenes Beschwerderecht.

2. Umgangsrecht


Bezüglich des Umgangsrechts gilt:

 

a) Materielles Umgangsrecht


Den Großeltern steht nach § 1685 Abs. 1 BGB ein eigenes Umgangsrecht zu. Dies setzt voraus, dass der Umgang mit ihnen dem Kindeswohl dient, d. h. der Umgang muss sich positiv auf das Kindeswohl auswirken. Die Zurückweisung eines Umgangsantrags der Großeltern setzt keine Gefährdung des Kindeswohls durch den Umgang voraus (OLG Frankfurt 12.6.17, 3 UF 278/16). Es besteht keine gerichtlich durchsetzbare Umgangspflicht der Großeltern. Das Kind hat also kein eigenes subjektives Recht auf Umgang.

 

Problematisch ist, dass bei einem Widerstand der Eltern gegen den Umgang meist ein Loyalitätskonflikt des Kindes droht und das Umgangsrecht der Großeltern zurücktreten muss: In einem Fall hatten die Kinder nach der Geburt regelmäßigen Kontakt mit den Großeltern. Nach einem Abbruch wurde dieser später wieder aufgenommen. Dem lag u. a. eine Vereinbarung zugrunde, die die Eltern und die Großeltern geschlossen hatten. Darin verpflichteten sich die Großeltern, den Eltern ein zinsloses Darlehen zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt wurde ihnen hinsichtlich der Kinder ein Umgangsrecht eingeräumt. Das Darlehen sollte sofort zur Rückzahlung fällig sein, sofern durch die Eltern das Umgangsrecht nicht mehr gewährt würde. Die Eltern lehnen den Umgang ihrer Kinder mit den Großeltern erneut ab. Hintergrund hierfür ist, dass ihnen kurz zuvor ein Schreiben der Großeltern an das zuständige Jugendamt bekannt geworden war, in dem diese diverse Vorwürfe und Bedenken in Bezug auf die Erziehung der Kinder durch die Eltern vorgebracht haben (BGH FK 17, 184).

 


 

 Der Umgang mit Großeltern dient dazu, vorhandene Bindungen aufrechtzuerhalten, nicht aber, diese aufzubauen. Großeltern sollten daher alsbald nach einem Kontaktabbruch tätig werden.


 Zum Umfang des Umgangsrechts mit Großeltern gibt es keine „Üblichkeit“. Die Maßstäbe für den Umgang mit den Eltern sind nicht ohne Weiteres anzuwenden; Großeltern wird selten ein 14tägiges Umgangswochenende gewährt.

 Das Umgangsrecht der Großeltern ist dabei stets nachrangig gegenüber dem der Eltern (z.B. bei Getrenntleben der Eltern, vgl. OLG Brandenburg 3.7.15, 10 UF 173/14, oder bei fremduntergebrachten Kindern, vgl. OLG Frankfurt 15.8.14, 6 UF 82/14).

 

Dies bedeutet, dass § 1685 Abs. 1 BGB lediglich vor willkürlichen Umgangsverweigerungen durch die Eltern schützt. Es ist aber recht schwach ausgeprägt und wird sich kaum gegen den Willen der Eltern durchsetzen lassen.

 

Haben die Eltern gem. § 1632 Abs. 2 BGB allerdings ein Kontaktverbot gegenüber den Großeltern ausgesprochen und wollen es durch vollstreckbare Unterlassungsanordnungen durchsetzen, können die Großeltern diese Umgangsbestimmung der Eltern überprüfen lassen. Denn die Umgangsbestimmung steht nicht im freien Belieben der Eltern, sondern dient den Interessen des Kindes. Eltern dürfen gegenüber Großeltern den Umgang nicht verbieten, wenn positiv festgestellt werden kann, dass er dem Kindeswohl dient.

 

Allerdings prüft das Gericht die Umgangsbestimmung der Eltern nicht in allen Einzelheiten nach. Halten die Eltern die gesetzlichen Grenzen ihrer Entscheidungsbefugnis gegenüber Kind und Großeltern ein und treffen sie eine Entscheidung innerhalb eines nachvollziehbar und verständig ausgeübten Ermessensspielraums, unterstützt sie das Gericht im Streit mit den Großeltern durch die Anordnung hoheitlichen Zwangs (OLG Brandenburg 17.12.15, 13 UF 186/15).


 b) Durchsetzungsmöglichkeiten


Ein Umgangsantrag der Großeltern kann schlicht zurückgewiesen werden, sodass kein Umgang stattfindet.

Soweit ein Umgangsrecht der Großeltern besteht, ist im Tenor der Umgang – wie bei jeder Umgangsregelung – konkret und vollstreckungsfähig zu bestimmen sowie mit dem Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gem. § 89 FamFG zu versehen (OLG Brandenburg 21.2.14, 10 UF 159/13).