Unfall in der Waschanlage

  • 27. September 2018
  • Thomas Klein

Sehr häufig werden Autos in der Waschanlage beschädigt. Aber wer haftet dann? Eine aktuelle Entscheidung des BGH...

Unfall in der Waschanlage

Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber einer Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.


BGH, Urteil vom 19.7.2018 – VII ZR 251/17


Zum Sachverhalt


Der Kl. verlangt von der Bekl., der Betreiberin einer Waschstraße, wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs Schadensersatz iHv 1223,19 Euro nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Er befand sich am 7.3.2015 mit seinem Fahrzeug in der von der Bekl. betriebenen Waschstraße. Bei dieser handelt es sich um eine vollautomatisierte Anlage, durch die die Fahrzeuge während des Waschvorgangs von einem Schleppband mit einer geringen Geschwindigkeit gezogen werden. Dabei befinden sich die linken Räder auf der Fördereinrichtung, während die rechten Räder frei über den Boden laufen. Vor und hinter dem Fahrzeug des Kl. befand sich jeweils ein weiteres Fahrzeug. Während des Waschvorgangs betätigte der Fahrer des Fahrzeugs, das sich vor dem Fahrzeug des Kl. befand, grundlos die Bremse, wodurch dieses Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehenblieb, während das Fahrzeug des Kl. sowie das dahinter befindliche Fahrzeug weitergezogen wurden. Hierbei wurden das Fahrzeug des Kl. auf das abgebremste Fahrzeug und das hinter ihm befindliche Fahrzeug auf sein Fahrzeug geschoben. Der Kl. wirft der Bekl. eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.

Das AG Wuppertal (Urt. v. 6.11.2015 – Aktenzeichen 98C18815 98 C 188/15) hat die Bekl. antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Auf die Berufung der Bekl. hat das LG Wuppertal (Urt. v. 17.10.2017 – Aktenzeichen 16 S 10715 ) nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.


Aus den Gründen:


11II. (…) Mit der vom BerGer. gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch des Kl. gegen die Bekl. aus §§ BGB § 280 BGB § 280 Absatz I, BGB § 241 BGB § 241 Absatz II, BGB § 631 BGB wegen Verletzung einer werkvertraglichen Schutzpflicht der Bekl. nicht verneint werden.

121. Rechtsfehlerfrei hat das BerGer. im Ausgangspunkt allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt (vgl. BGH, NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 422 Rn. NJW Jahr 2005 Seite 422 Randnummer 15) und dass sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren (vgl. BGH, NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 422 Rn. NJW Jahr 2005 Seite 422 Randnummer 15; NJW 1975, NJW Jahr 1975 Seite 685, Rn. NJW Jahr 1975 Seite 685 Randnummer 22). Zutreffend ist das BerGer. des Weiteren davon ausgegangen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind (vgl. BGHZ 196, BGHZ Band 196 Seite 340 = NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 3366 Rn. NJW Jahr 2013 Seite 3366 Randnummer 25) und dass die auf den Besteller eines Werkvertrags bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers (vgl. BGH, NJW-RR 2013, NJW-RR Jahr 2013 Seite 534 Rn. NJW-RR Jahr 2013 Seite 534 Randnummer 15 zur werkvertraglichen Treuepflicht des Bestellers gegenüber dem Unternehmer).

132. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das BerGer. eine Pflichtverletzung der Bekl. nicht schon mit der Begründung bejaht hat, die Schadensursache liege allein in deren Gefahrenbereich.

14a) Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Schädiger – über den Wortlaut des § BGB § 280 BGB § 280 Absatz I 2 BGB hinaus – sich nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, NJW-RR Jahr 2017 Seite 635 Rn. NJW-RR Jahr 2017 Seite 635 Randnummer 31; NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 142 Rn. NJW Jahr 2009 Seite 142 Randnummer 15 f.; NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 142; vgl. auch zu Waschstraßenfällen OLG Hamm, NJW-RR 2002, NJW-RR Jahr 2002 Seite 1459 = OLG-Report 2002, OLGR Jahr 2002 Seite 369 mwN; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, NJW-RR Jahr 1995 Seite 1135).

15b) Der Schaden des Kl. ist nicht allein durch den automatisierten Waschvorgang unter Einsatz des von der Beklagten verwendeten und in Gang gesetzten Schleppbands verursacht worden. Vielmehr liegt ein maßgeblicher Verursachungsbeitrag darin, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs grundlos gebremst und damit den automatisierten Waschvorgang gestört hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Fällen, bei denen das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (zB eine Rotationsbürste) beschädigt wird.

163. Die Annahme des BerGer., die Bekl. habe keine Schutzpflicht verletzt, hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

17a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage – etwa durch den Betrieb einer Waschstraße – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. BGH, NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1967 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1967 Randnummer 5 f.; NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 2326 Rn. NJW Jahr 2006 Seite 2326 Randnummer 6 f., jew. mwN). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

18Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. BGH, NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1967 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1967 Randnummer 6; NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 2326 Rn. NJW Jahr 2006 Seite 2326 Randnummer 7, jew. mwN). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ BGB § 276 BGB § 276 Absatz II BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. BGH, NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1967 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1967 Randnummer 6; NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 2326 Rn. NJW Jahr 2006 Seite 2326 Randnummer 7, jew. mwN). Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Betreiber von Waschstraßen – für ausreichend halten darf, um andere Personen – hier die Kunden – vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (vgl. BGH, NJW-RR 2005, NJW-RR Jahr 2005 Seite 251).

19Zu den gebotenen Sicherungsvorkehrungen kann auch die Erfüllung von Hinweispflichten gehören (vgl. BGH, NJW-RR 2005, NJW-RR Jahr 2005 Seite 251).

20b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom BerGer. unter Würdigung des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen, dass die Waschstraße der Bekl. den anerkannten Regeln der Technik entspricht, dass technische Sicherungsvorkehrungen, die ein Auffahren bei einem Bremsvorgang des vorausfahrenden Fahrzeugs verhindern könnten, bei derartigen Anlagen nicht üblich und dass derartige technische Sicherungsvorkehrungen nicht marktgängig sind.

21Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet, § ZPO § 564 S. 1 ZPO.

22c) Nicht zu beanstanden ist zudem die Annahme des BerGer., eine Schutzpflicht sei nicht deshalb verletzt, weil die Bekl. nicht für eine ununterbrochene Überwachung der Anlage – sei es durch den Einsatz einer Videoanlage sei es durch Mitarbeiter, die neben dem Schleppband mitlaufen – gesorgt hat.

23Eine so weitgehende Schutzpflicht würde die berechtigten Verkehrserwartungen überspannen, die anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage zu bemessen sind (vgl. BGH, NJW-RR 2005, NJW-RR Jahr 2005 Seite 251). Solche Maßnahmen sind wegen des damit verbundenen technischen und/oder personellen Aufwands nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit geringen Kollisionsgeschwindigkeiten allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt. Bei diesen Vorfällen handelt es sich zudem um selten auftretende Einzelfälle. Nach dem nicht wirksam bestrittenen Vortrag der Bekl. gab es in der Waschstraße im Jahr 2015 bei 46.700 Waschgängen lediglich fünf Aufschiebevorfälle. Angesichts einer Quote von 0,01 % kommen solche Vorfälle nur in einem geringen Umfang vor. An die Benutzung einer automatisierten Waschstraße – wie hier – stellen die beteiligten Verkehrskreise nicht die Anforderung, durchgehend von einem Mitarbeiter unmittelbar oder per Video überwacht zu werden.

24d) Das BerGer. hat indes nicht berücksichtigt, dass eine Schutzpflichtverletzung in Betracht kommen kann, wenn die Bekl. gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erteilt hat.

25Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber der Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind – wie hier – Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren (vgl. zu einer Wasserrutsche BGH, NJW-RR 2005, NJW-RR Jahr 2005 Seite 251).

26Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des BerGer. davon auszugehen, dass die Bekl. dem Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der bei einem Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahren erteilt hat.