Abschleppen erlaubt?

  • 28. März 2019
  • Thomas Klein

Es kommt vor, dass bei Bauarbeiten oder dergleichen mobile Halte- oder Parkverbote eingesetzt werden. Darf dann sofort abgeschleppt werden, obwohl vorher ordnungsgemäß gepartk wurde?

Abschleppen erlaubt?

Abschleppen erlaubt?

 

Mit dieser Frage hatte sich jüngst das VG Neustadt zu beschäftigen.

 

Was war passiert?

Auf einem  „Park and Ride“-Parkplatz am Bahnhof wurden mobile Halteverbotsschilder auf Anordnung der beklagten Gemeinde aufgestellt. Es wurden insgesamt drei mobile Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf einer Länge von insgesamt ca. 100 m angebracht. Unter den Verkehrszeichen war jeweils ein Zusatzschild angebracht. Die Zusatzschilder waren mit der dafür vorgesehenen Halterung an der Aufstellstange befestigt. Am Morgen  parkte die Klägerin um ca. 07:45 Uhr ihren Pkw auf dem „Park and ride“-Parkplatz im Bereich zwischen zwei der drei mobilen Halteverbotsschilder. Gegen 08:00 Uhr sollte mit den im Bereich des eingerichteten Halteverbots geplanten Baumschnittarbeiten begonnen werden. Es wurde festgestellt, dass insgesamt 14 Pkw im Halteverbot standen, u.a. der Pkw der Klägerin. In der Zeit von 09:25 Uhr bis 10:55 Uhr wurden die 14 Pkw von einer Firma auf die andere Seite des Parkplatzes umgesetzt.

 

Die Beklagte erließ sodann gegenüber der Klägerin einen Abschleppkostenbescheid in Höhe von 255,60 EUR. Darin enthalten waren 200 EUR als Kosten des Abschleppunternehmers.

Die Klägerin erhob nach erfolgloser Durchführung eines Vorverfahrens dagegen Klage und machte geltend, sie habe beim Aussteigen und beim Verlassen des Parkplatzes kein Haltverbotsschild bemerkt. Das Halteverbot sei nichtig, weil das verwendete Zusatzzeichen nicht den Anforderungen entsprochen habe, die die StVO vorgebe. Es weise einen provisorischen und laienhaften Charakter auf und wirke auf einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht wie eine amtliche, allgemein verbindliche Verkehrsregelung. Die Höhe der geforderten Kosten sei für sie nicht nachvollziehbar. 

Das sagt das Gericht:

Der Kostenbescheid sei rechtswidrig. Zwar sei die Ersatzvornahme in Form der Umsetzung des Pkw der Klägerin rechtmäßig erfolgt. Im Zeitpunkt der Beauftragung des Abschleppunternehmens durch die Beklagten sei der Bereich, in dem das Fahrzeug der Klägerin gestanden habe, durch die Haltverbotszeichen 283 nach der StVO ordnungsgemäß, ausreichend und hinreichend bestimmt markiert worden. Die Schilder seien auch rechtzeitig vor dem Geltungszeitpunkt, nämlich mehr als 72 Stunden davor, aufgestellt worden.

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Verkehrszeichen nicht nichtig und müssten daher von den Verkehrsteilnehmern beachtet werden. Allerdings widerspreche die Gestaltung der verwendeten Zusatzschilder in rechtswidriger Weise den Vorgaben in der StVO und der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschrift - StVO VwV -. Den Zusatzzeichen fehle der vorgeschriebene schwarze Rand, die Schriftart und -größe entspreche nicht den Vorgaben der StVO VwV und die Aufschrift „Parkverbot“ sowie die beiden graphischen Darstellungen von Halteverbotszeichen auf Zusatzzeichen seien nicht vorgesehen. Die Abweichungen seien aber noch nicht so eklatant, dass davon auszugehen sei, dass von keinem verständigen Verkehrsteilnehmer erwartet werden könne, die Regelung als verbindlich anzuerkennen. Weil die Beschilderung vorliegend eindeutig und der Regelungswille der Beklagten erkennbar gewesen sei, wäre es auch für die Klägerin möglich gewesen, trotz der rechtswidrigen Ausgestaltung der Zusatzzeichen zu erkennen, was von ihr verlangt werde. Die Abschleppmaßnahme sei daher rechtmäßig gewesen.

 

Der Kostenbescheid sei aber dennoch rechtswidrig. Da das Abschleppunternehmen für die 14 Umsetzungsvorgänge nur einmal mit einem Abschleppwagen angefahren sei, sei die Beklagte schon nicht verpflichtet gewesen, in 14 Fällen den Zuschlag zu zahlen. Folglich könne die Beklagte den Zuschlag auch nicht in voller Höhe, sondern nur anteilsmäßig, von jedem Verkehrsteilnehmer verlangen.

 

Ungeachtet dessen habe die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt, was zur Rechtswidrigkeit der Kostenforderung insgesamt führe. Die Beklagte habe weder im Kostenbescheid noch im Widerspruchs- oder im gerichtlichen Verfahren zu der Problematik der Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Zusatzschildes und die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie die Besonderheit des Falls hätte erkennen können und müssen.

 

Urteil des VG Neustadt vom 26.2.19, 5 K 814/18