Muss immer Kindesunterhalt gezahlt werden?

  • 28. April 2022
  • Thomas Klein

Ein häufig übersehenes Problem: Derjenige Elternteil, der die Kinder betreut, verdient mehr als der Elternteil, der eigentlich barunterhaltspflichtig ist. Und dann?

Kindesunterhalt

Weit wenig bekannt ist, dass nach Trennung der Eheleute derjenige Elternteil, bei dem die gemeinsamen Kindern nicht betreut werden, unter bestimmten Voraussetzungen keinen Kindesunterhalt zahlen muss, sondern diese Pflicht auf das betreuende Elternteil übergehen kann.

Dies ist, entgegen oft vertretener Ansicht, nicht erst dann der Fall, wenn der betreuende Elternteil mehr als das 3 fache dessen verdient, als das unterhaltspflichtige Elternteil.

Vielmehr gilt:

Der in § 1603 BGB normierte Grundsatz der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung gilt nicht uneingeschränkt, insbesondere dann nicht, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils deutlich günstiger sind als die des anderen Elternteils.

Die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils kann entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nur unter Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre, während der andere Elternteil neben der Betreuung des Kindes auch den Barunterhalt leisten könnte, ohne dass dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet würde.

 

Was heißt das?

 

Angenommen, die Eltern V und M trennen sich. M betreut fortan das gemeinsame Kind K (8 Jahre alt)

V verdient aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit monatlich 1300 Euro netto, während M über 2400 Euro netto verfügt.

Würde man V hier dazu verpflichten, Unterhalt für sein minderjähriges Kind zu zahlen, so bliebe ihm nicht der ihm zustehende angemessene Selbstbehalt von 1300 Euro.

Demgegenüber ist M bei einem Einkommen von 2400 Euro netto selbst unter Wahrung eines Unterhaltsanspruchs des Kindes K ohne weiteres in der Lage, noch ein Einkommen zu haben, das oberhalb des angemessenen Selbstbehaltes liegt. Zieht man nämlich vom Einkommen der M den auf das Kind entfallenden Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle ab, so verbleibt immer noch ein Betrag für M , der deutlich über 1300 Euro monatlich liegt.

Obwohl also hier das Einkommen der betreuenden M nicht ein vielfaches des Einkommens des V ausmacht, ist diese als anderer leistungsfähiger Verwandter i.S.d § 1603 II 3 BGB anzusehen, so dass V hier keinen Kindesunterhalt zahlen muss.

so etwa: OLG Stuttgart Az. 16 UF 118/17

 

Es lohnt also bei Unterhaltsforderungen des betreuenden Elternteils immer nachzufragen, was denn der betreuende Elternteil verdient, insbesondere dann, wenn das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht ausreicht, den Mindestunterhalt sicherzustellen.