VG Köln Rückforderung Corona-Soforthilfe

  • 22. September 2022
  • Thomas Klein

Das VG Köln hat entschieden. Wir hatten berichtet. Hier Auszüge aus dem Urteil...

VG Köln Corona Soforthilfe

Das VG Köln hat zu Gunsten der betroffenen Empfänger entschieden.

 

Auszugsweise aus dem Urteil:

 

Der Bewilligungsbescheid vom 26.05.2020 trifft hinsichtlich der dem Kläger gewährten Zuwendung in Form der Soforthilfe eine endgültige Regelung und stellt insoweit keinen sogenannten vorläufigen Verwaltungsakt dar.

36Von einem vorläufigen Verwaltungsakt ist im Bereich der Zuwendungsgewährung auszugehen, wenn die Zuwendung unter dem Vorbehalt einer späteren abschließenden Entscheidung bewilligt wird. Ein solcher Bewilligungsbescheid ist in seinem Regelungsinhalt dahingehend eingeschränkt, dass der Begünstigte die Zuwendung zunächst nur vorläufig bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung behalten darf. Ob ein Anspruch auf das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung besteht, hängt dagegen von dem Inhalt des abschließenden Bewilligungsbescheids, des Schlussbescheids ab (Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8.82 –, Rn. 33, juris; BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7.09 –, Rn. 14).

Das Bedürfnis für eine solche lediglich vorläufige Regelung kann insbesondere dann bestehen, wenn zum Erlasszeitpunkt des vorläufigen Bescheids eine tatsächliche Unsicherheit besteht. Das Subventionsverhältnis wird dabei zunächst durch den Zuwendungsbescheid geregelt, der aber unter den Vorbehalt der späteren Festsetzung gestellt wird und damit auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt ist, durch den die Zuwendung in den offen gehaltenen Punkten abschließend geregelt werden sollte (Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7.09 –, Rn. 15 juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, Rn. 63, juris)

Der Vorbehalt endgültiger Regelung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG gebunden zu sein. Bei einer späteren endgültigen Regelung durch einen Schlussbescheid bedarf es insoweit keiner Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligung, da diese durch den Schlussbescheid ersetzt wird( Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, Rn. 16, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 - 15 A 708/88 -, NVWZ 1991, 588 (589); HK-VerwR/Kyrill-Alexander Schwarz, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 35 Rn. 28; Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 245)

Wie weit der Vorbehalt der endgültigen Regelung reicht und ob er die Bewilligung insgesamt oder nur Teilregelungen des ursprünglichen Bewilligungsbescheids umfasst, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Denn die Vorläufigkeit muss sich nicht auf den ersten Bescheid insgesamt beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne Aspekte beschränkt sein. Es können also auch bereits im vorläufigen Bewilligungsbescheid endgültige Teil-Regelungen getroffen und dem Adressaten insoweit gesicherte (Teil-) Rechtspositionen vermittelt werden. Auch wenn daher die Behörde einen unter Vorbehalt gestellten Verwaltungsakt später durch einen Schlussbescheid ersetzt, so kommt eine inhaltlich abweichende Regelung im Schlussbescheid - außer in den Fällen der §§ 48, 49 VwVfG - nur in Betracht, wenn sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde.

Die Regelungen des ursprünglichen Bewilligungsbescheids unterliegen insoweit der Auslegung aus Sicht eines objektiven Empfängers entsprechend der §§ 133, 157 BGB. Das Gericht hat den Bewilligungsbescheid dahin zu erforschen, wie der Adressat ihn unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste.

Abzustellen ist dabei auf Sicht des Adressaten zum Erlasszeitpunkt des ursprünglichen Bewilligungsbescheides unter Berücksichtigung allein der zu diesem Zeitpunkt bekannten oder jedenfalls erkennbaren Umstände. Nach Erlass eines Zuwendungsbescheides kann die Behörde nicht mehr frei über die Auslegung von darin verwandten Begrifflichkeiten entscheiden. Der Bescheid hat insoweit Fakten geschaffen, über die sie sich auch im Rahmen des Zuwendungsrechts nicht nach Ermessen hinwegsetzen kann.

Welche Teile des ursprünglichen Bewilligungsbescheids unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung stehen und welche bereits im ursprünglichen Bescheid endgültige Regelungen treffen, muss sich vor allem aus dem vorläufigen Bewilligungsbescheid selbst ergeben. Insoweit muss in diesem ausdrücklich bezeichnet oder zumindest eindeutig erkennbar sein, hinsichtlich welcher Regelung die Erlassbehörde sich eine spätere Entscheidung vorbehalten will. Dies folgt einerseits aus dem Gebot hinreichender Bestimmtheit von Verwaltungsakten im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG, andererseits mit Blick auf den Vertrauensschutz des Adressaten. Unklarheiten gehen zu Lasten der Erlassbehörde, die es insoweit in der Hand hat, Bestimmtheits- oder Auslegungsprobleme durch eindeutige Formulierungen im ursprünglichen Bescheid zu vermeiden.

Unter Berücksichtigung dessen ist es nicht ausreichend, wenn sich die Auslegung als vorläufiger Verwaltungsakt lediglich als noch mögliche Deutung neben einer Vielzahl weiterer möglicher Auslegungen darstellt. Es genügt für die Annahme eines Regelungsvorbehalts nicht, dass ein Bewilligungsbescheid als vorläufiger Verwaltungsakt verstanden werden kann.

Vielmehr ist es erforderlich, dass der Regelungsvorbehalt aus dem Bescheid sowie den erkennbaren Umständen für einen objektiven Empfänger als die einzig sinnvolle Deutung erscheint und sich dieses Verständnis dem objektiven Empfänger aufdrängen muss. Dabei gebieten es die mit dem Vorbehalt späterer endgültiger Entscheidung verbundene Folge des Ausschlusses von Vertrauensschutz und die Verwandtheit dieser Regelungsweise mit Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwVfG), strenge Anforderungen an die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots (§ 37 VwVfG NRW) für die Vorläufigkeit einer Regelung und ihres genauen Umfangs zu stellen.

Nach diesem Maßstab ist der Bewilligungsbescheid vom 26.05.2020 dahin auszulegen, dass er die dem Kläger gewährte Förderung insbesondere auch der Höhe nach endgültig regelt. Der Beklagte hat sich im insoweit allein maßgeblichen Bewilligungsbescheid vom 26.05.2020 den Erlass eines Schlussbescheides weder ausdrücklich noch zumindest noch ausreichend deutlich vorbehalten, sondern den Antrag des Klägers vom 26.05.2020 – auch hinsichtlich der Höhe der Soforthilfe - in Wahrheit abschließend beschieden.

Der Bewilligungsbescheid vom 26.05.2020 bringt an keiner Stelle, insbesondere im Tenor und/oder in den einschlägigen Ziffern II. 3.,4. und 8. der Nebenbestimmungen, die Vorläufigkeit bzw. Vorbehaltlichkeit der Gewährung der Soforthilfe für den objektiven Empfängerhorizont mit (noch) hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. Ausreichend, aber auch notwendig wäre es hierzu gewesen, einen entsprechenden Entscheidungsvorbehalt bzw. eine Vorläufigkeit der Bewilligung der Zuwendung mit Blick auf eine erst zukünftig (abschließend) zu bewilligende Zuwendung mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit zum Inhalt des Bescheids zu machen. Das ist hier nicht geschehen.

Der Bescheid enthält unter Ziffer „1. Bewilligung“ die der Höhe nach einschränkungslose „Bewilligung“ einer „Soforthilfe i.H.v. 9.000,00 €“. Ein Hinweis auf eine etwaige Höchstbetragsförderung mit späterer endgültiger Abrechnung etwa über den Zusatz „bis zu 9.000,00 €“, der sich gerichtsbekannt in einer Fülle von Bewilligungsbescheiden der Bezirksregierung L.    bei anderen Förderprogrammen findet, fehlt.

Die Bewilligung „als einmalige Pauschale“ spricht hingegen nicht hinreichend deutlich für eine vorläufige Regelung zur Höhe der Corona Soforthilfe. Denn die Wortbedeutung erfasst zwar auch eine vorläufige Geldsumme, die man vor der endgültigen Abrechnung erhält. Eine einmalige Pauschale kann aber auch als ein Geldbetrag, der mehrere Teilsummen zusammenfasst, die nicht einzeln abgerechnet werden, verstanden werden. Ebenso kann der Begriff der Pauschale auch genau umgekehrt zu der von dem Beklagten vorgenommenen Deutung verstanden werden, dass nämlich gerade keine genaue Ermittlung des durch die Förderung zu kompensierenden Ausfalls erfolgen soll, sondern dieser durch eine einmalige – z. B. aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder Beschleunigung vorgenommene – Pauschalzahlung abgegolten wird. Diese mehrfache Wortbedeutung schließt die erforderliche Bestimmtheit im oben dargelegten Sinn aus.

Auch die Festlegung eines dreimonatigen Bewilligungszeitraums in Ziffer 2. des Bewilligungsbescheids vom 26.05.2020 zwingt nicht zu dem Schluss, es handle sich um eine bloß vorläufige Bewilligung. Die Festlegung eines Bewilligungszeitraums ist keinesfalls ein Alleinstellungsmerkmal eines vorläufigen Verwaltungsakts, sondern erfolgt regelmäßig auch bei endgültigen Förderbescheiden. Dies macht auch bei endgültigen Förderbescheiden, denen ebenfalls ein Verwendungsnachweisverfahren – ggfs. verbunden mit einem Widerrufsverfahren nach § 49 Abs. 3 VwVfG – nachgeschaltet sein kann, Sinn, um den relevanten Zeitraum hinsichtlich förderungsrelevanter Ausgaben und Kosten zu ermitteln.

Der im Zuwendungsbescheid unter Ziffer II. 3. der Nebenbestimmung zu findende Passus,

„Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraumes feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der Landeskasse....unter Angabe des Aktenzeichens zurückzuzahlen. ...“, reicht nicht aus, um hierdurch einen Vorläufigkeitsvorbehalt mit hinreichender Bestimmtheit begründen zu können. Zwar kommt in ihm zum Ausdruck, dass die ausgezahlte Finanzhilfe noch von zukünftigen Faktoren abhängig ist, die zum Bewilligungszeitpunkt noch nicht feststehen. Es gibt jedoch unterschiedlichste verwaltungsrechtliche Regelungsmöglichkeiten, wie mit solchen zukünftigen Faktoren umgegangen werden kann.

Ziffer II. 3. des Bewilligungsbescheids ist aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht als Vorbehalt einer abschließenden Behördenentscheidung zu verstehen. Mit dieser Regelung wurde vielmehr vom Kläger nach dem eindeutigen Wortlaut eine von ihm selbst und eigenverantwortlich vorzunehmende nachträgliche Berechnung von Ist-Werten zur tatsächlichen Höhe des Umsatzausfalls und des Liquiditätsengpasses während des Bewilligungszeitraums verlangt, mit der Folge die selbsttätig errechneten zu viel gewährten Unterstützungsgelder zurückzuzahlen. Aus dieser selbsttätig und eigenverantwortlich vorzunehmenden Berechnungs- und Prüfpflicht des Zuwendungsempfängers und einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Rückzahlungspflicht kann unter Anwendung des gebotenen strengen Maßstabs nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nicht mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit entnommen werden, dass damit der Begünstigte die empfangene Leistung in jedem Fall nur vorläufig bis zum Erlass einer späteren endgültigen Regelung durch die Behörde behalten darf. Denn von einem irgendwie gearteten – nachträglichen – Tätigwerden der Behörde ist hier überhaupt nicht die Rede. Dies gilt umso mehr für den Fall, dass die selbsttätig und eigenverantwortlich vom Begünstigten vorgenommene Berechnung keinen zu viel gezahlten Betrag ergeben sollte. Eine vorbehaltene endgültige Festsetzung der Höhe der Soforthilfe in einem zweiten Verwaltungsakt ist damit in dieser Regelung nicht vorgesehen. Soweit in dieser Regelung ein Hinweis auf ein späteres Rückmeldeverfahren gesehen wurde , kann die erkennende Kammer einen solchen Hinweis weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung entnehmen. Ein solches Verfahren wird in Ziffer II. 3. des Bewilligungsbescheids, der ausdrücklich nur den Bescheidadressaten anspricht, nicht erwähnt.

Es dürfte viel dafür sprechen, dass es sich stattdessen bei dieser Regelung um eine Auflage i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW handelt. Einem solchen Verständnis könnte jedenfalls nicht entgegengehalten werden, dass die Konstruktion einer nachträglichen Kontrolle der Förderung durch Begründung einer Mitwirkungsverpflichtung zur Selbstkontrolle in Form einer Auflage ungeeignet wäre, um eine angemessene Überprüfung der Förderung zu ermöglichen. Denn wenn es in diesem Fall dazu käme, dass ein Adressat einer solchen Mitwirkungsverpflichtung nicht nachkäme, stehen im Rahmen des allgemeinen Verwaltungsrechts geeignete Möglichkeiten zum Beispiel in Form eines Widerrufsverfahrens nach § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG zur Verfügung, um die benötigten Angaben zu ermitteln und gegebenenfalls überzahlte Beträge zurückzufordern. Ob es sich bei der Regelung in Ziffer II. 3. des Bewilligungsbescheids vom 26.05.2020 tatsächlich um eine Auflage handelt und welcher Inhalt dieser genau zukommt, kann offenbleiben. Denn der Beklagte hält dem Kläger in dem angefochtenen Schlussbescheid einen solchen Auflagenverstoß jedenfalls nicht vor. In der von dem Beklagten umgesetzten „Rückmeldung des Liquiditätsengpasses NRW Soforthilfe 2020“ des Klägers vom 31.10.2021 heißt es dementsprechend: „Dieses Rückmelde-Formular dient der Meldung des vorzeitig freiwillig ermittelten Liquiditätsengpasses….“. Bei einer freiwilligen Ermittlungstätigkeit des Zuwendungsempfängers selbst handelt es sich aber nicht um die behördliche Ausübung einer im Bewilligungsbescheid gemachten vorläufigen Regelung....