Gehwegparken...zulässig oder nicht?

  • 16. März 2023
  • Thomas Klein

Parkraum ist knapp und wird immer knapper. Vielfach wird auf dem Gehweg geparkt, weil alle anderen das auch tun. Ist dies dann zulässig?

Gehwegparken

Das OVG Bremen hatte sich unlängst mit dem Gehwegparken und wütenden Anwohnern zu beschäftigen, die gegen das Gehwegparken vorgingen.

 

Das Gericht hat dabei folgendes festgestellt:

Das aufgesetzte Parken verstößt gegen das aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO abzuleitende Verbot, Gehwege ohne spezielle Erlaubnis zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu nutzen. 

Dieses allgemeine Verbot des Gehwegparkens wird in den Wohnstraßen vieler Anwohner nicht beachtet. Hiergegen kann die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes straßenverkehrsrechtliche Anordnungen treffen. 

Grundsätzlich  liegen auch die Voraussetzungen für die Durchführung von Abschleppmaßnahmen vor. Die Parkvorschriften in § 12 Abs. 4 und 4a StVO dienen in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit grundsätzlich dem Interesse der Allgemeinheit. 

Das Oberverwaltungsgericht geht jedoch davon aus, dass dem Verbot des Gehwegparkens auch eine individualschützende Funktion zukommt, da es erkennbar den Interessen derjenigen dient, die den Gehweg zulässigerweise benutzen. 

Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser Individualschutz in jedem Fall, d.h. unabhängig vom Grad der Beeinträchtigung, gewährt werden müsste. Vielmehr besteht ein solcher Schutz nur, wenn die Belange dieser Nutzer in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind. 

Dies ist dann der Fall, wenn eine für die Betroffenen unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung des Gehweges eintritt. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Funktion eines Gehwegs nicht erst dann beeinträchtigt ist, wenn Fußgänger nicht mehr oder nur mit Mühe an parkenden Fahrzeugen vorbeikommen oder ein Fußgängergegenverkehr erschwert wird. 

Es genügt nicht, wenn nur ein schmaler Engpass verbleibt, den Rollstuhlfahrer oder Personen mit Kinderwagen „mit Mühe und Not“ passieren können. Vielmehr muss auch ein Begegnungsverkehr unter ihnen und mit Fußgängern möglich bleiben.

Hiervon ausgehend hat das Gericht in dem konkreten Fall für die Anwohner eine unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung der Gehwege bejaht, weil in ihren Straßen durch das aufgesetzte Parken Restgehwegbreiten von weniger als 1,50 m auf annähend der gesamten Länge der vorhandenen Gehwege verbleiben. Ein Begegnungsverkehr ist hier nicht mehr möglich.

Die Anwohner des vorliegenden Verfahrens haben folglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein behördliches Einschreiten. 

Eine Pflicht der Straßenverkehrsbehörde, unmittelbar gegen die verkehrsordnungswidrig parkenden Fahrzeuge einzuschreiten, besteht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht. 

Dies begründet das Gericht damit, dass die betroffenen Gehwege in den Straßen der Anwohner  noch immer - wenn auch eingeschränkt - nutzbar sind und Rechtsgüter von überragender Bedeutung, wie etwa die Gesundheit, nicht konkret gefährdet sind. 

So müssen Gehwegnutzer in den betroffenen Straßen nicht auf die Straße ausweichen. Der Ermessenspielraum der Behörde bleibt auch in Anbetracht der Dauer und Häufigkeit der

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Behörde vielmehr gehalten, bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Problem des unerlaubten Gehwegparkens um eine Praxis handelt, die in den innerstädtischen Lagen weit verbreitet und über Jahrzehnte weitestgehend geduldet worden ist. 

Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des Gerichts sachgerecht, wenn die Behörde innerhalb eines Konzepts für ein stadtweites Vorgehen zunächst den Problemdruck in den am stärksten betroffenen Quartieren ermittelt. 

Soweit dabei geplant ist, die Straßen mit besonders geringen verbleibenden Restgehwegbreiten priorisiert zu behandeln, ist dagegen nichts einzuwenden. Der Verweis auf ein Konzept wird aber die Ermessensentscheidung nur solange tragen, wie dieses auch tatsächlich und nachvollziehbar umgesetzt wird.

 

OVG Bremen Az. 1 LC 64/22